Lateinlehrer sterben aus!

■ Lehrerverband: Kollegien völlig überaltert / Nur 15 Prozent unter 40

/ Nur 15 Prozent unter 40

Das Thema reizt Unkundige zum Spott: Hamburgs Lehrer klagen über Überlastung und Überalterung. Erst in der vorigen Woche gab die Hamburger GEW bekannt, daß jeder zweite ältere Kollege mit den Schülern nicht zurecht komme. Der Deutsche Lehrerverband (DL) hat nun gestern die Statistik bemüht, um auf die Dramatik der Situation aufmerksam zu machen.

Weil in den 80er Jahren kaum Lehrer eingestellt wurden, ist heute nur noch jeder 7. Kollege unter 40 Jahre alt. Dagegen befindet sich über die Hälfte der insgesamt 15 129 Hamburger Lehrkräfte zwischen dem 41. und dem 51. Lebensjahr. Folge: Der ständig steigenden Zahl von Pensionierungen von derzeit 300 auf künftig 700 im Jahr 2000 steht nur ein sehr schmaler Unterbau von jüngeren Lehrern gegenüber. Optisch umgesetzt und unterteilt in Männlein und Weiblein ergibt dies das Bild einer Zwiebel mit dünnem Stiel. „Ich habe die Statistik professionellen Personalplanern gezeigt“, sagte DL-Sprecher Reinhard Behrens gestern vor Journalisten. „Die haben gesagt, dieses Problem ist nicht mehr lösbar.“ Die Ausbildung eines Lehrers dauert acht bis neun Jahre.

Dabei sind die zu erwartenden Defizite in bestimmten Schulformen besonders kraß. An Hamburgs Gymnasien beispielsweise gibt es nur 121 Personen, die zwischen 30 und 37 Jahre alt sind. Eben diese Jahrgänge müssen ab 2000 die nach und nach frei werdenden Koordinatoren- und Schulleiterposten besetzen. Behrens: „Man wird sie regelrecht shanghaien müssen.“

Noch absurder die Situation in bestimmten Fächern. Da in der Vergangenheit nur in „Mangelfächern“ wie Mathe eingestellt wurde, gibt es in ganz Hamburg vermutlich nicht mal drei Deutsch- und Französischlehrer unter 40. Auch in Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde und Latein sind die Lücken groß. So manches ehrwürdige Gymnasium wird sich etwas einfallen lassen müssen, wenn seine Alt- Philologen in drei bis vier Jahren rudelweise in Rente gehen.

Allein um die Pensionierungen auszugleichen, müßten nach den Berechnungen des DL ab sofort jährlich 540 Lehrer neu eingestellt werden. Hinzu kommt aber noch ein Mehrbedarf von 350 bis 400 Pädagogen, um die wachsende Schülerzahl zu versorgen. Dem steht die Zahl von jährlich 600 an der Hamburger Uni neu ausgebildeten Junglehrern gegenüber.

Der DL fordert, die Studienkapazität um 450 Plätze aufzustocken, außerdem eine „mittelfristige Personalplanung“. Behrens: „Es muß langfristige Bedarfserhebungen und Einstellungszusicherungen geben, um junge Menschen zu motivieren, diesen Beruf zu ergreifen.“ Derzeit reagierten Abiturienten auf den Vorschlag, Lehrer zu werden, na, womit wohl? „Mit Spott“. kaj