Die Geier kreisen über der Klöckner-Hütte

■ Demonstration gegen Stahlbarone und Deutsche Bank / EG-Entscheidung verschoben

Vor sieben Monaten brachten die Stahlarbeiter aus Rheinhausen ihr berühmtes Mahnfeuer vom Rhein an die Weser: Mitte November waren bei strömendem Regen rund 6.000 Klöckneraner das erste Mal vors Werkstor gezogen, um gegen das „Plattmachen der Hütte“ durch den niederländischen Hoogovens-Konzern zu demonstrieren. Mittlerweile brennt der Kokskorb vor Tor 1 der Klöckner-Hütte länger als er in Rheinhausen je gebrannt hat. Doch noch immer kreisen die Geier über der Hütte am Meer. Die jetzt bekannt gewordene „Absichtserklärung“ des Thyssen-Chefs Kriwet, sich gemeinsam mit Krupp/Hoesch Klöckner einzuverleiben und lediglich das Kaltwalzwerk — das nicht besonders moderne Ende der Produktionskette — weiterzubetreiben, trieb rund 2.000 Klöckneraner gestern morgen von 6 bis 8 Uhr abermals vor Tor 1 — Demonstration, Kundgebung. Der bundesweite Solidaritäts-Aktionstag der IG Metall (siehe Kasten) wurde zur Doppel-Demo genutzt. Denn als „unverhülltes Stillegungsangebot“ deuten nicht nur Betriebsrat und Belegschaft die Absichten der Stahlbarone von der Ruhr: „Wenn nur noch das Kaltwalzwerk alleine besteht, wird

hier den Mann

mit Helm und Plakat

Der Kampfesgeist ist leicht ermüdet, wenn auch noch nicht gnaz dahinFoto: Michael Koch

es das in fünf Jahren auch nicht mehr geben“, sagt auch Klöckner- Vorstandsvorsitzender Klaus Hilker.

„Diese Gefahr ist größer als alles, was jemals von Hoogovens ausgegangen ist“, donnerte Be

triebsratsvorsitzender Peter Sörgel in vertrauter Art den Stahlkochern in die müden Ohren - noch einen Tick lauter als sonst, damit auch die vielen in den Autos Sitzengebliebenen mitkriegten, was er ihnen zu sagen hatte. Denn die da träge Demonstrationsende und Schichtbeginn abwarteten, waren zum größten Teil Mitarbeiter aus dem Kaltwalzwerk — nur vermeintlich Gerettete. „Wir dürfen nicht glauben, daß wir das aussitzen können, indem wir uns totstellen“, sagte Sörgel. Ein bißchen, ja, ein bißchen müde sind die Stahlkocher, vom vielen Kämpfen. Die Transparente werden immer löcheriger, warme Füße bekommen ein größeres Gewicht als Parolen, und kaum glaubt man die eine Gefahr ausgestanden, naht die nächste, noch viel größere Katastrophe.

Und niemals Klarheit: Noch immer im Schwange ist die Entscheidung der EG, ob sie dem Vergleichsvorschlag der Klöckner Werke zustimmen wird — der Vierer-Ausschuß der EG-Kommission vertagte das für gestern erwartete Ja oder Nein. Heute nun soll in Brüssel entschieden werden, ob auf 70 Mio. Mark vom an Klöckner geflossenen 175-Milli

onen-Gesamtkredit verzichtet wird. Bis Freitag muß eine Entscheidung vorliegen — sonst geht das Vergleichsverfahren in ein Konkursverfahren über. Die Kommissare, die ihre Zustimmung von einem weiteren Kapazitätsabbau abhängig gemacht hatten, wollten jedoch mehr Zeit, um das dazu vorliegende Konzept zu prüfen.

Dabei habe man noch am Dienstag, so der Bremer Chef Klaus Hilker, den EG-Kommissaren klarmachen können, daß die geplante Reduzierung der Stahlproduktion um 20 Prozent, verbunden mit der Stillegung des kleinen Hochofens und einem Personalabbau auf etwas über 4.000 Leute, „richtig und nicht weiter einschränkbar“ sei. „Alles andere würde das Unternehmen gefährden“, so Hilker. Und für das will er gemeinsam mit Betriebsrat und Belegschaft kämpfen: „Wir werden über ein solches Angebot wie das von Thyssen nicht verhandeln“, sagte er vor seiner Belegschaft. Zumindest er wird das nicht. Doch darüber ernsthaft verhandelt wurde offenbar da, wo letztlich auch entschieden wird — in Frankfurt bei der Deutschen Bank. Susanne Kaiser