Wer erschlug den Angolaner Amadeu Antonio?

■ Im Prozeß gegen den Skin Kay-Nando B. blieb die Frage erneut ungeklärt / Am letzten Prozeßtag das Urteil: Viereinhalb Jahre für den Anführer des Schlägertrupps

Mit malmenden Zähnen und wippendem Fuß nahm der Angeklagte das Urteil an. Vier Jahre und sechs Monate Jugendstrafe schrecken Kay-Nando B. aus Eberswalde nicht. Zusammen mit etwa 50 anderen hatte der 22jährige Skin am Abend des 24. November 1990 seinen nationalistischen Glauben beweisen wollen. Saufend und grölend zogen die Rambos durch das brandenburgische Städtchen. „Neger klatschen“, die Parole. Drei schwarze Vertragsarbeiter wurden ihre Opfer. Mit Baseballschlägern, Latten, Messern und Tritten droschen die Skinheads auf sie ein. Die beiden Mosambikaner wurden schwer verletzt, Amadeu Antonio aus Angola wachte nie mehr aus dem Koma auf. Der 28jährige starb zwei Wochen später. Er war der erste Ausländer, der in den neuen Bundesländern umgebracht wurde.

„Da drüben laufen die Neger“ – ein abgeschmackter Schlachtruf genügte. „Da bin ich eben rüber und hab' dem Afrikaner den Baseballschläger auf den Kopf geschlagen“, sagte Kay-Nando in der Verhandlung und verzog keine Miene dabei. Amadeu Antonio jedoch will er nicht getroffen haben, da war er sich ganz sicher. Im Gegenteil: Der breitschultrige Mann empfahl sich im Gerichtssaal als Samariter. Er habe den Angolaner auf der Straße liegen sehen und ihn vor einem herannahenden Bus auf den Bürgersteig gezogen. Da seien die Täter bereits weg gewesen. Das Gericht glaubte ihm, obwohl einer seiner Mitangeklagten zuvor ausgesagt hatte, er habe genau gesehen, wie Kay-Nando auf Amadeu Antonio eingeschlagen habe. Richter Kamp gab an, allein zeitlich könne dies nicht hinkommen, zum fraglichen Zeitpunkt sei Kay- Nando B. 150 Meter von Amadeu entfernt gewesen und habe auf Francisco dos Santos eingeschlagen.

Schon beim ersten Prozeß, im vergangenen Sommer, sah sich das Gericht außerstande zu klären, wer Antonio Amadeu getötet hat. Die Ermittlungsbehörden hatten 1990 nach der Tat skandalös schlampig recherchiert. Zeugen verwischten Spuren, Erinnerungen blieben nur winzigen Mosaiksteinchen gleich in den Köpfen der Beschuldigten hängen. Alle vier Angeklagte des ersten Prozesses kamen mit niedrigem Strafmaß davon: Bewährungsstrafe bzw. vier Jahre sechs Monate Jugendstrafe. West-Richter Hartmut Kamp, der während der Verhandlung gerne von Negern sprach, fiel bereits damals durch väterliche Milde auf.

Auch die erneute Beweisaufnahme beim gestern zu Ende gegangenen Prozeß gegen Kay- Nando B. brachte kein Quentchen Klarheit. Das Gericht blieb gefangen im Gestrüpp der staatlichen Schlampereien. Da beobachtete zwar eine Funkwagenbesatzung die wildgewordene Meute — aus sicherer Entfernung allerdings. Die Polizei in Eberswalde verhielt sich genauso wie zwei Monate zuvor ihre Kollegen beim Pogrom von Hoyerswerda: zugucken, abwarten, nichts tun. In Eberswalde griffen sie erst ein, als alles vorbei war.

Wer erschlug Antonio Amadeu? Die wichtigste Frage des Prozesses bleibt ungeklärt. Auch Scham über die ungeheure Schlampigkeit der Behörden mag Richter Kamp zu den Jugendstrafen bewogen haben. Jedoch haben ihn mögliche politische Hintergründe der Tat wenig interessiert. Warum hat sich Kay-Nando wenige Stunden vor der Tat mit straff organisierten Neonazis getroffen? Haben sie sich zur Tat verabredet? Kay-Nando führte den Zug der rechten Brutalos an, zuvor aber hatte er in einer Diskothek mit den organisierten Kollegen mächtig gebechert. Dabei wurde auch die Reichskriegsflagge aufgezogen. Fragen, die Klarheit in die Zusammenhänge zwischen frei fluktuierenden rechten Schlägerbanden und straff organisierten paramilitärischen Grüppchen hätten bringen können, quittierte Kay-Nando während der Verhandlung mit einem Grinsen. Staatsanwalt und Richter ließen sich kaltlächelnd abspeisen. Obwohl sie wußten, daß Kay-Nando B. seit Jahren der Verbindungsmann zur straff militärisch organisierten Nationalen Front (NF) ist. Annette Rogalla