■ Mit Holzschutzmitteln auf du und du
: Prozeß mit Folgen

Berlin (taz) – Wer durch Umweltverpestung geschädigt wurde, hatte bisher vor Gericht nur wenig Chancen, sich gegen die vermutlichen Verursacher der Schäden durchzusetzen. Gerichte forderten bei allen Umweltstrafverfahren vom Kläger den absoluten wissenschaftlichen Beweis, daß zwischen Umweltdelikt und aufgetretenem Schaden eine Kausalität besteht. In der Praxis läßt sich dieser Beweis im allgemeinen wissenschaftlich wasserdicht nicht erbringen. Gesundheitsschäden können von giftigen Substanzen herrühren, aber ebensogut die Folge eines ungesunden Lebenswandels oder einer entsprechenden Veranlagung sein.

Bei den AnwenderInnen von Holzschutzmitteln häuften sich Klagen über Gesundheitsschäden allerdings schon seit Mitte der siebziger Jahre ganz auffällig. 1983 gründete sich die Interessengemeinschaft Holzschutzmittelgeschädigter, die das Problem an die Öffentlichkeit brachte, und ein Jahr später nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den größten bundesdeutschen Holzschutzmittelhersteller Desowag auf. 1989 wurde gegen die verantwortlichen Manager Anklage wegen des Verdachts auf Körperverletzung erhoben.

Das Frankfurter Landgericht wies die Klage jedoch ab. Die Begründung bewegte sich im damals üblichen Rahmen: Der letztendliche naturwissenschaftliche Beweis für einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Holzschutzmitteln und den aufgetretenen Krankheiten lasse sich nicht erbringen. Die Klage, so das Gericht, habe deshalb keine Aussicht auf Erfolg.

Erst ein aufsehenerregendes Urteil des Bundesgerichtshofs brachte die Wende: Im sogenannten Lederspray-Prozeß gegen die Firma Erdal wurden Manager zu ein bis anderthalb Jahren Freiheitsstrafen und vergleichsweise hohen Geldbußen verurteilt. Erstmalig war das oberste Gericht davon ausgegangen, daß es genüge, die Schädlichkeit eines Produkts mit hinreichender Plausibilität nachweisen zu können. In der Folge konnte die Staatsanwaltschaft die Eröffnung des Verfahrens gegen die Desowag doch noch durchsetzen.

Sollte es zu einer Verurteilung der Desowag-Manager kommen, wird wohl eine wahre Prozeßflut folgen. Zunächst dürften die Holzschutzmittel- Geschädigten zivilrechtliche Schadenersatzklagen gegen die Hersteller dieser Mittel anstrengen. Aber auch in anderen Bereichen wird dieses Urteil Präzedenzcharakter haben, zum Beispiel im Fall formaldhydhaltiger Sperrholzmöbel oder PCB-haltiger Dichtungsmassen.

Wer durch solche Produkte Gesundheitsschäden erlitt, kann künftig zumindest hoffen, vor Gericht nicht von vorneherein abgewiesen zu werden. Nicola Liebert