Kleingärtner mit Traute an einem Tisch

■ 120 bei Traute Müllers "Stadtdialog" zu Hamburgs Zukunft: ganz normale Bürger ebenso wie InteressenvertreterInnen

zu Hamburgs Zukunft: ganz normale Bürger ebenso wie InteressenvertreterInnen

Was die Stadtentwicklungsbehörde gestern mit einer fünfstündigen Mammutveranstaltung begonnen hat, ist fürwahr ein Experiment. Nicht nur weil Senatorin Traute Müller davon sprach. „Stadtdialog“ nennt sich das Projekt. Rund 120 Personen wurden ausgewählt, um sich gemeinsam Gedanken über die zukünftige Stadtentwicklung zu machen.

Ausgewählt wurden die Teilnehmer von den Kammern der SchülerInnen, des Handwerks, des Handels und der Architekten sowie von den Gewerkschaften, Kleingärtnern und den Bürgerschaftsfraktionen. Auch LeserInnen von drei Hamburger Tageszeitungen (darunter die taz) wurden eingeladen. Nach Auskunft von Traute Müller repräsentierten etwa 40 Prozent der Teilnehmer die „ganz normalen Bewohner der Stadt“. Die übrigen waren in erster Linie Interessenvertreter.

So sehr die Veranstaltung ein Experiment gewesen sein mag, vor allem war sie, was ihren Ablauf anging, gewöhnungsbedürftig. In kurzen Referaten wurde zu beginn thesenartig das Thema gestreift und teils provokativ angerissen. „Stadtdialog ist Planungskultur“ meinte Mirjana Marcovic, Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Architekten. Stadtentwicklung müsse ganzheitlich verstanden werden, sagte sie, und dürfe nicht an Grenzen haltmachen. Wer sich mit Hamburg befasse, müsse die Ranndgemeinden mit einbeziehen.

Es folgte ein Videofilm über die „Sünden der Stadtentwicklung“ in Hamburg: Von den Prunkbauten auf der Fleetinsel schwenkte die Kamera auf Menschen, die ihr „Wohnzimmer“ unter einer Brücke aufgeschlagen haben. Die „Monokultur in Hammerbrook“, wo es kaum Wohnunraum gibt, wurde ebenso kritisch beleuchtet wie die Warteschlangen vor den wenigen noch zu vermietenden Wohnungen. Schließlich schilderte der Film die Idylle in Billwerder, die ebenso wie die Natur von der näherrückenden Stadt bedroht wird.

„Konfliktfreie Entscheidung wird es in Zukunft nicht mehr geben“, kündigte Traute Müller vor dem Hintergrund dieser Bilder an. „Wir werden es uns schwerer machen müssen.“ Dieses Stichwort griff der Schweizer Architekt Horst Kohlbrenner auf und forderte, Tabus zu brechen. Jede Stadt habe welche. In Basel sei es ein Tabu, über die chemische Industrie zu sprechen, in Mainz über den Grundstücksbesitz

1der Katholischen Kirche und in Potsdamm sei das Militär ein Tabu- Thema. „Welche Tabus gibt es in Hamburg?“

Derart eingestimmt, wurde es

1gruppendynamisch, wie bei einem Selbsterfahrungskurs. In Steh-Runden fanden sich jeweils die zusammen, die der Meinung waren „Ich finde, Hamburg soll bleiben wie es

1ist“, „Hamburg muß wachsen“ und „Hamburg war früher schöner“. Am Ende der Veranstaltung war die taz schon längst im Druck. Norbert Müller