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„Less is more“

Zwei Konzepte für die „Villa Lemke“ von Mies van der Rohe im Bezirk Hohenschönhausen  ■ Von Martin Kieren

An bekannten Architektennamen mangelt es in Berlin nicht. Vor allem in den zwanziger Jahren wurden in dieser Stadt eine Reihe von bedeutenden Architektur- Denkmalen errichtet. Unter den in dieser Stadt wirkenden berühmten Architekten war auch der kurzzeitige Bauhaus-Direktor und später in die USA emigrierte Ludwig Mies van der Rohe. Er entwarf 1926/27 Wohnhäuser in der Afrikanischen Straße im Wedding und 1966/68 die seither weltberühmte Nationalgalerie am Ende der Potsdamer Straße. Projekt blieb sein gläsernes Hochhaus am Bahnhof Friedrichstraße, das auch in der gegenwärtigen Berliner Hochhausdiskussion öfters erwähnt wird.

Ein relativ unspektakulärer, aber dennoch nicht unbedeutender Bau ist seine „Villa Lemke“ in Hohenschönhausen aus dem Jahr 1931/32. Wie bei seinem Denkmal für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, das 1933 von den Nazis abgetragen wurde, verwendete Mies van der Rohe hier einmal mehr einen flach liegenden roten Backstein, der sich einerseits der Berliner Nach-Schinkel-Tradition und andererseits der Vorliebe für diesen Stein bei den expressionistischen Architekten in Berlin verdankt. Es sind vor allem – über diese Traditionen hinaus – der Hofhaus- und Pavillon-Stil – wie schon bei seinem berühmt gewordenen Barcelona-Pavillon für die Weltausstellung im Jahr 1929 – und moderne Grundrißdispositionen und Konstruktionsmethoden, die dieses kleine Haus sozusagen beseelen und die typische Mies- Handschrift erkennen lassen: ein L-förmiger, flacher Bau auf rechtwinkligem Grundriß, mit einem zum Garten hin sich öffnenden und bis zur Erde reichenden großen Fensterband. Das Ganze ist eingefaßt mit schlichten und tragenden Backstein-Mauern. Auch für diesen Bau gilt Mies' lebensbegleitendes Motto: „Less is more“.

Die Geschichte des Hauses ist schnell erzählt. Nachdem die Bauherren und ursprünglichen Besitzer – das Ehepaar Lemke – 1945 enteignet und der Bau bis 1962 von den russischen Besatzern requiriert wurde, kam ihm bis 1989 die vielschichtige Nutzung als Versorgungssstelle der Staatssicherheit zu. Das Haus teilte somit das Schicksal vieler anderer Häuser am idyllisch gelegenen Obersee: es war der Öffentlichkeit gänzlich entzogen. Aus denkmalpflegerischer Sicht sind die in den fünfziger und sechziger Jahren vorgenommenen Umbauten katastrophal: stark veränderte Fenster, rigorose Einbauten, Eingriffe in den Grundriß und eine extreme Vernachlässigung bauphysikalischer Belange, die die Bausubstanz nachhaltig beeinträchtigte.

Seit der Wende nun steht das Haus unter der Verwaltung des Bezirksamtes Hohenschönhausen. Seither bemüht sich Wita Noack – als vom Bezirksamt eingesetzte Leiterin des jetzt „Mies-van-der- Rohe-Haus“ genannten Gebäudes, um die Nutzung als kulturelle Begegnungsstätte und kommunale Galerie. Gezeigt wird hier u.a. die wechselvolle Geschichte des Hauses; daneben sollen ein Rahmenprogramm mit Veranstaltungen und kleinere Kunstausstellungen den Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit bilden.

Für dieses Vorhaben ist es natürlich langfristig unbedingt notwendig, die immer noch gravierenden Mängel zu beseitigen und das Haus in seinen ursprünglichen Zustand zu verstzen. Ein solches Unternehmen kostet aber naturgemäß viel Zeit – und vor allem viel Geld. Dieses wiederum fehlt aber nicht nur im Bezirk Hohenschönhausen.

Für dieses Kleinod moderner Architektur existiert deshalb auch noch ein anderes Konzept: Kristin Feireiss, Gründerin der Aedes- Galerie in den S-Bahnbögen am Savignyplatz und stark engagiert bei der Förderung internationaler und junger Berliner Architektur, hat in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des „Vereins der Freunde der Berliner Nationalgalerie“ sowie renommierter Architekten und Historiker vor, an diesem Ort so etwas wie ein über den Bezirk hinaus wirkendes Architektur-Zentrum zu etablieren. Als „Museum der Moderne“ und „Mies van der Rohe-Kolleg“ sieht dieses Konzept vor, eine Begegnungsstätte zu schaffen, in der regelmäßige Ausstellungen und Veranstaltungen ausgerichtet werden sollen. Diese Initiative versteht sich einerseits als Promotor für die Instandsetzung und Nutzung des Hauses – also der Rettung des Erbes Mies van der Rohes –, sie entwirft aber zugleich eine verlängerte engagierte Perspektive: die Schaffung eines Ortes nämlich, von dem aus eine „kritische Begleitung der aktuellen Geschehnisse in den Bereichen Architektur und Stadtplanung“ – so das Programm – stattfinden könnte. Die Mitglieder dieses international zusammengesetzten Kollegs sollen sich im „Haus Lemke“ regelmäßig treffen, diskutieren, und von hier aus mit Symposien, Stellungnahmen, Broschüren und Pressekonferenzen in die öffentliche Diskussion eingreifen und sich an ihr beteiligen. Vorgesehen ist das Kolleg als „kritisch beobachtendes, aufklärendes und warnendes Organ“.

Zu wünschen ist – in der gegenwärtig notwendigen, aber auch brisanten Stadt- und Architekturdebatte – ein solches Gremium allemal, zumal es unabhängig von Einflüsterungen seitens des Senats agieren könnte, der mit seinen Stadt-Foren und Architekturgesprächen seine eigenen Schwerpunkte setzt. Die Architektur-Galerie Aedes, eine in Europa einmalige – bislang private – Institution, schafft ein solches Forum seit über zehn Jahren in der westlichen Stadthälfte – und der Gedanke liegt nahe, ein weiteres in der anderen Hälfte einzurichten und zu betreiben. Aber man muß immer noch behutsam mit diesem Zugriff Westberliner Initiativen und Interessen auf ein solcher Objekt im Ostteil der Stadt vorgehen. Dem Vernehmen nach gibt es in dieser Hinsicht leider schon Unstimmigkeiten und Mißmut. Sie sollten jedoch kein Hindernis für eine zukünftige öffentliche und offensive Nutzung an diesem Ort in Sachen Berliner Architektur und Stadtplanung sein.

Samstag, 15. Mai, 15 Uhr: Aktionskonzert, Klangprojekte Weimar (Werke von Hintzenstern, Tutschke, Schwitters); Sonntag, 16. Mai, 15 Uhr: Familienkonzert „Mechanische Musik – live gespielt“ (Werke von L. und W.A. Mozart, C.Ph.E. Bach, Eberlin, Haydn, Beethoven); Mittwoch, 19. Mai, 19 Uhr: Vortrag von Dr. Christian Wolsdorff (Bauhaus-Archiv) „Architekturunterricht am Bauhaus“.

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