■ Steuer
: Eine halbe Million Millionäre

Reich werden ohne zu arbeiten – nur ein Traum? In den neunzigerJahren ist das für viele kein Problem. Wir leben (hierzulande) im Jahrzehnt des Erbens. Der Grund: Durch fast ein halbes Jahrhundert blühendes deutsches Vaterland (West) mit Wirtschaftswunder, hoher Produktivität, Inflationsarmut, dazu (für Deutschland untypische) Kriegsabstinenz und Sparfreude der heutigen Rentner, Pensionäre und Witwen/r hat sich ein gigantisches Vermögen angesammelt. Und jetzt wird gestorben und geerbt. Hauptsächliche NutznießerInnen: Die Kinder der Kriegsgeneration, also die heute 30- bis 45jährigen.

Sterbestatistiker prognostizieren bis zum Jahr 2000 fünf Millionen Erbfälle, wobei ein Vermögen von fast 2.000.000.000.000 (zweitausend Milliarden) Mark die Eigentümer wechselt. Etwa jedeR Zehnte wird mehr als eine Million Mark (in Geld- und Sachvermögen) erben – eine halbe Million neuer Millionäre in sieben Jahren. Das schafft kein Lotto dieser Welt.

Und der Finanzminister rät: Bloß nicht über den Tod reden, kein Testament machen und in Demut den Tag X abwarten. Aus solch falscher Scham und dummer Pietät wachsen die Summen, die das Finanzamt dann ohne Scham einstreichen kann. Beispiel: Erbt eines Reichen Kind eine Million, gehen über 100.000 Mark gleich an den unsterblichen (Stief-) Vater Staat. Dabei gibt es genügend (legale) Tricks, die Erbschaftssteuer zu verringern. Etwa der: Alle zehn Jahre dürfen Eltern jedem ihrer Kinder steuerfrei 90.000 Mark schenken. Oft bleibt es nicht bei diesem Betrag. Geschenkt werden höhere Beträge (mit prozentual geringerer Schenkungssteuer als im Beispiel Million- Erbe) etwa für Ausbildung oder Existenzgründung. Steuerlich noch viel sinnvoller ist das Finanzgeschenk für Hausbau oder Erwerb von Eigentumswohnungen. Denn bei Immobilien wird nicht der Verkehrswert (Kaufpreis) als Grundlage genommen, sondern der antiquierte Einheitswert. Und der liegt bei gerade 10 Prozent des tatsächlichen Preises. Statt also Bargeld und Wertpapiere im Todesfall zu überlassen (100.000 Mark an das Finanzamt) läßt sich der potentielle Erbe vorab ein Haus für 1 Million Mark schenken. Einheitswert: rund 90.000 Mark = Schenkungsfreigrenze. Und damit null Mark an den Staat. Und weil das so viele tun, gibt es heute schon einen Run auf Eigentumswohnungen, Umwandlungen und Hauskauf.

Warten bis zum Todesfall ist teuer. Und ungerecht: Kinder haben einen Freibetrag von je 90.000 Mark, Ehegatten 250.000 Mark. Lebt ein Paar ohne Trauschein zusammen, sahnt das Finanzamt im Todesfall einer der beiden so richtig ab: Bei 250.000 Mark Erbe schon fast ein Drittel, rund 80.000 Mark. Bekommt die nette (unverheiratete) „Schwiegertochter“ laut (grottendummem) Testament des „Schwiegervaters“ einen Millionenbetrag vererbt, ist der Erb-Supergau erreicht: bis zu 70 Prozent Steuer.

Ein Schreckensbeispiel. Und so begründet sich der gegenwärtige Heiratsboom nicht immer nur auf ewiglich zu erwartende Liebe, sondern ist auch Schutzreflex vor der Geldgier des Fiskus. -müll-