Polizistin war mein Traumberuf

■ Gesichter der Großstadt: Ellen Karau ist Deutschlands ranghöchste Kripofrau / Schritt für Schritt erklomm sie die Karriereleiter in einem "typischen" Männerberuf

Ellen Karau ist Berlins Vorzeigepolizistin. Am 17. März wurde sie zur leitenden Kriminaldirektorin und damit zu Deutschlands ranghöchster Kripofrau befördert. Jetzt leitet die 48jährige die Unterabteilung A der Direktion Verbrechensbekämpfung und ist somit für die Verfolgung von Schwerstkriminalität zuständig. Mörder, Sexual- und Wirtschaftsverbrecher müssen sich in Zukunft vor ihr in acht nehmen. Auch illegaler Handel mit Tabak fällt in ihren Bereich. Als Chefin der Unterabteilung hat sie in erster Linie Führungsaufgaben. Sie leitet die Ermittlungen und geht nur in ganz besonderen Fällen selber auf Täterjagd.

1969 ging Ellen Karau zur Polizei. „Polizistin war und ist mein Traumberuf“, sagt sie. Vorbild war damals vielleicht auch ihr älterer Bruder, der inzwischen Polizeidirektor und Chef der Freiwilligen Polizeireserve ist. Vorher war sie in der Justizverwaltung beschäftigt, „aber da hatte ich nicht so gute Aufstiegschancen“, erklärt sie ihren Wechsel zur Kripo. Und aufsteigen wollte sie. Sie hat Weiterbildungskurse belegt und ist immer wieder befördert worden. Schritt für Schritt hat sie die Stufen der Polizeihierarchie erst im mittleren und dann, nach einer dreijährigen Ausbildung, im gehobenen Dienst erklettert.

Mitarbeiterin der Polizeipressestelle, Ausbildungsleiterin in der Polizeischule in Spandau und Leiterin des Referats M III zur Bekämpfung von Sexualverbrechen und Kindesmißhandlung waren Etappen ihres Aufstiegs. Bis zu ihrer neuen Beförderung war sie Chefin der Direktion 5, die für die Bezirke Neukölln, Kreuzberg, Tempelhof, Köpenick, Treptow und Lichtenberg zuständig ist.

Seitdem Ellen Karau angefangen hat, ernsthaft Karriere zu machen, hat sie immer wieder als ranghöchste Kripofrau für Aufsehen gesorgt. „Daran gewöhnt man sich“, meint sie trocken. Frauen habe es in der Berliner Polizei schon immer gegeben, und das werde auch immer so bleiben, erklärt sie. Damals, als sie Ende der 60er Jahre zur Kripo kam, habe es jedoch noch typische Arbeitsbereiche für Polizistinnen gegeben, räumt sie ein. „Die Frauen haben meistens Fälle bekommen, die viel mit Betreuung der Opfer zu tun haben. Kindesmißhandlung und so“, beschreibt Ellen Karau. „Dabei gibt es für diese Arbeitsteilung gar keine vernünftigen Gründe.“ Es gebe keine Art von Verbrechen, die Frauen nicht genauso gut verfolgen können. Außerdem seien Männer genauso in der Lage, Opfer zu betreuen. Auch das sei also kein Argument für die Arbeitsteilung. Sie sei damals eine der ersten gewesen, die sich auch mit anderen Bereichen beschäftigen wollte. Inzwischen gebe es diese Unterteilung in Männer- und Frauenbereiche nicht mehr, meint sie.

Die Frage, wie sie es geschafft hat, sich in dem traditionellen Männerberuf nach ganz oben zu kämpfen, hat sie schon zu oft beantwortet. Sie zuckt gelangweilt mit den Schultern. „Man muß halt hartnäckig sein“, sagt sie. Sie muß jedoch zugeben, daß es nicht immer leicht war. 1980 besuchte sie die Polizeiführungsakademie in Münster-Hiltrup, um anschließend zu Berlins erster Kriporätin befördert zu werden. Von den über hundert Kursteilnehmern war sie während des einjährigen Lehrgangs die einzige Frau. „Die männlichen Kollegen haben mich akzeptiert. Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig“, trotzdem habe es oft Probleme gegeben, sagt sie und macht eine kleine Pause, „aber das will ich jetzt nicht wieder aufwärmen“. Während des Kurses habe sie sich ziemlich einsam gefühlt. „Die Jungs waren zwar ganz nett, aber es war niemand so richtig zum Reden da.“

Hält sie sich selber für ein Vorbild? „Neulich habe ich im Fernsehen einen Beitrag über Traumberufe gesehen und gelernt, daß viele Mädchen davon träumen, Kriminalpolizistin zu werden und zu machen, was ich mache“, antwortet sie und schmunzelt. „Es wird höchste Zeit, daß endlich mehr Frauen den Mut aufbringen und zur Kripo gehen. Ich bin doch wohl ein gutes Beispiel, daß wir in diesem Beruf ordentliche Chancen haben.“ Eine Strategie hat sie nie entwickelt. „Ich habe jedoch festgestellt, je weiter ich nach oben komme, desto eher werde ich von meinen männlichen Kollegen respektiert“, ist ihr einziger Kommentar.

Zu einer ordentlichen Karrierefrau gehört neben einem Traumjob noch mehr: „Na klar habe ich noch ein Privatleben“, sagt Ellen Karau. In ihrer Freizeit ist sie Vorsitzende des Weißen Rings Berlin und wurde vor einigen Wochen zu dessen Berliner Regionalbeauftragten ernannt. Außerdem ist sie engagiertes Mitglied der SPD und der Arbeiter-Wohlfahrt. „Ein bißchen soziales Engagement ist mir wichtig“, sagt sie. Wenn dann noch Zeit übrig ist, geht sie mit ihrem Ehemann wandern, strickt oder kocht. Julia Gerlach