Kondome lagen deutlich sichtbar auf dem Bett

■ Geschäftsmann wegen Vergewaltigung einer Prostituierten verurteilt

Moabit. Der Prozeß vor der 17. Strafkammer des Landgerichts könnte eine Ermutigung für andere Prostituierte sein, sich nach Mißhandlungen durch ihre Freier an die Polizei zu wenden: Die Kammer verurteilte gestern einen 36jährigen Geschäftsmann, der eine Prostituierte zum ungeschützten Geschlechtsverkehr gezwungen und ihr 200 Mark gestohlen hatte, zu 15 Monaten Haft auf Bewährung. Außerdem muß der Angeklagte der Geschädigten 800 Mark Schmerzensgeld bezahlen.

Dem Prozeß kommt deshalb so große Bedeutung zu, weil sich bislang nur die wenigsten Huren trauten, Anzeige zu erstatten. Ein gestern als Zeuge vernommener Kripobeamter belegte dies sehr anschaulich mit Zahlen: Von rund 540 Vergewaltigungs-Anzeigen im Jahr kommen weniger als 10 von Prostituierten. Diesen Umstand hob der Vorsitzende Richter Hans-Christan Luther in der Urteilsbegründung ausdrücklich hervor, als er über die Glaubwürdigkeit der 27jährigen Geschädigten sprach: Es sei ein Erfahrungswert, daß sich Damen aus dem Prostitutionsbereich nicht ohne Grund an die Polizei wendeten.

Der 36jährige angeklagte Gerd D., der sich als „angesehener Geschäftsmann“ in der Marketingbranche ausgab, hatte die Vergewaltigung bestritten. Es sei mit der Zeugin vereinbart gewesen, daß sie mit ihm für einen Preis von 200 Mark die Nacht in seiner Wohnung in Hellersdorf verbringe. Dort sei es zum normalen Geschlechtsverkehr gekommen, allerdings ohne Kondom: Die Benutzung eines solchen, so der Angeklagte, sei nicht vereinbart gewesen. Weil er danach keine Lust mehr gehabt habe, den Rest der Nacht mit der Frau zusammenzubleiben, habe er sich von den 200 bezahlten Mark 100 aus ihrem Portemonnaie zurückgeholt.

Die 27jährige Andrea J. machte vor Gericht kein Hehl daraus, daß sie zum Zeitpunkt der Tat anschaffen ging, um ihren Drogenbedarf zu decken. Seit Dezember vergangenen Jahres ist sie in einem Polamidon-Programm. Gegen die Tränen ankämpfend, schilderte die Zeugin, daß sie die Kondome griffbereit und für den Freier deutlich sichtbar aufs Bett gelegt habe. Sie hätte gerade begonnen, den Mann zu streicheln, als er sie mit einer Hand an der Kehle gepackt, den Kopf über die Bettkante gedrückt und vergewaltigt habe. Ihre größte Angst danach sei gewesen, daß er vielleicht Aids habe. Den Diebstahl der 200 Mark Lohn habe sie als weniger schlimm empfunden.

In einem Punkt hinterließ das Urteil allerdings einen bitteren Nachgeschmack. Das Gericht hielt den bereits in der DDR wegen Vergewaltigung vorbestraften Gerd D. nur eines minder schweren Falles für schuldig: Er habe „sich von seiner spontanen Erregung treiben lassen“. Die Staatsanwältin hatte drei Jahre Haft gefordert: In den Zeiten von Aids kein Kondom zu verwenden sei „extrem rücksichtlos“. plu