Familien aus Stroh

■ Die Diskussion über Medienkonzentration und Medienkontrolle bei den "Saarbrücker Medientagen"

Vor kurzem noch galten sie als Papiertiger, die nur brav neuen Privatsendern Lizenzen erteilten und dafür zwei Prozent der gesamten Rundfunkgebühren – die nette Summe von gut 100 Millionen jährlich – verbraten durften. Doch seit dem letzten Jahr haben sich die Medienanstalten der Länder zu Kontrolleuren gemausert. Angeführt vom Direktor der Berlin- Brandenburger Anstalt, Hans Hege, haben sie sich die Verflechtung vor allem der von Kirch und Springer gemeinsam dominierten Sender vorgenommen. Erstes Opfer: das Deutsche Sportfernsehen (DSF), das nicht ins Berliner Kabelnetz durfte, Springer und Kirch halten hier zusammen knapp 50 Prozent). Auch nach zwei Gerichtsentscheidungen in Bayern – die erste ging an die Kontrolleure, die zweite an Kirch – will Medienwächter Hege per Verfassungsklage weiterstreiten.

Pünktlich vor Beginn der „Saarbrücker Medientage“ in der vergangenen Woche sprang ihm die dortige „Landesanstalt für das Rundfunkwesen“ bei und ordnete gegen den Widerspruch des DSF an, daß an seiner Stelle weiterhin Euronews ins Kabelnetz eingespeist wird. So konnten die Medientage denn auch anschließend mit deftigem Streit glänzen. Die Kontrolleure wie Hege argumentierten, daß bei Kirch, der ja gemeinsam mit seinem Sohn Thomas und Springer insgesamt fünf Sender dominiert, „mit Sport-Übertragungsrechten Medienpolitik gemacht“ wird. Für Kirchs Unternehmenssprecher Gottfried Zmeck und Pro 7-Geschäftsführer Gesig Kofler gibt es natürlich nur „wirtschaftliche Entscheidungen“. Allerdings blieb die Frage von IG- Medien-Chef Detlev Hensche unbeantwortet, ob denn die Ernennung des ehemaligen „Report“- Münchners Heinz-Klaus Mertes zum Sat.1-Programmdirektor eine solche „wirtschaftliche Entscheidung“ war. Eine besonders tiefe Bresche für die Meinungsvielfalt schlug ausgerechnet der RTL- Marketing-Chef Peter Hoenisch. Bei seinem Vortrag schien es bisweilen, als sei RTL 2 nur aus uneigennützigen Motiven gestartet worden, „als Gegengewicht zu Kirch“, der ganz „hemmungslos“ seine Senderfamilie vergrößere. Da mußte er sich prompt von dem Kirch-Mann Gottfried Zmeck vorwerfen lassen, „aus kurzsichtigem Interesse“ die Debatte um Konzentration zu instrumentalisieren, womit er auch nicht ganz falsch lag. Denn daß die beiden Medienriesen Bertelsmann (RTL) und Springer/Kirch (Sat.1) an einem Strang ziehen, zeigte sich in Saarbrücken an den nur leicht verhüllten Drohungen sowohl von Manfred Lahnstein (Bertelsmann) als auch von Springer-Vorstand Manfred Niewiarra: Auf Dauer könne man ja vom Ausland her strahlen, wenn sich die deutschen Medienkontrolleure allzu pingelig zeigten.

Tatsächlich wird die technische Entwicklung die Zahl der Kabelkanäle und Satellitenplätze bis zur Jahrtausendwende noch einmal in die Höhe schnellen lassen. Daß dies die Position der Medienkonzerne stärkt, wissen auch die Kontrolleure, die kramten deshalb einen alten Vorschlag wieder hervor und fragten, „ob es einem Unternehmen nicht ermöglicht werden soll, einen – aber nur einen – Fernsehveranstalter kapital- und stimmrechtsmäßig zu beherrschen“, so Thomas Kleist, Direktor der saarländischen Landesanstalt. Der jetzige Staatsvertrag der Länder sieht nämlich vor, daß kein Konzern beherrschenden Einfluß in einem Sender ausüben darf. Das heißt: Für jeden neuen Sender braucht es mindestens drei (kapitalkräftige) Partner. Und davon gibt es in der Bundesrepublik eben nur eine Handvoll. Kleist und seine Kollegen fragen nun: „Werden dadurch Treuhänderschaften und die Gründung von Strohmanngesellschaften nicht geradezu provoziert?“

Bislang bemühte sich die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten immer noch, überhaupt durch das Dickicht der Kapitalverflechtungen durchzublicken. Schließlich fragen nicht nur sie, ob denn Thomas Kirch (32), wirklich ein so eigenständiger Pro 7-Gesellschafter ist. Von Kirch-Junior wird berichtet, daß ihn Vater Leo gelegentlich auch vor fremden Leuten lautstark auffordert, die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen.

Mit der Forderung nach „vollständiger Transparenz“ der Beteiligungsverhältnisse, wie sie in Saarbrücken vor allem der SPD-Medienpolitiker und Europaabgeordnete Dieter Schinzel vertrat, ist auch die Direktorenkonferenz noch nicht viel weitergekommen. Sie hatte es im letzten Sommer mit einem höflichen Fragebogen an alle beteiligten Konzerne versucht. Doch der Staatsvertrag gibt ihnen wenig Auskunftsrechte, und auch Springers Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle, die ihnen „freiwillig“ gezeigt wurden (Vorstand Niewiarra), haben den naheliegenden Verdacht nicht ausräumen können, daß Kirch, der mittlerweile 35 Prozent der Springer- Aktien hält, und Axel Caesars Erben jetzt als eine Gruppe miteinander verbundener Firmen anzusehen sind.

Ließe sich das nachweisen, dann hätte dieser Medienriese ganz offiziell 63 Prozent bei Sat.1 – und seine Lizenz müßte kassiert werden. Es sei denn, der gemeinsame Anteil würde unter 50 Prozent geschraubt. Gefordert hat das ultimativ – als letzte aufrechte Tat kurz vor seiner Pensionierung – Klaus Schütz (SPD), Direktor der Medienanstalt von Nordrhein- Westfalen. Er droht damit, Sat.1 die terrestrische Frequenz im größten Bundesland nicht zu verlängern. Die Entscheidung über den möglichen Lizenzentzug, den die süddeutschen Medienanstalten für zu drastisch hielten, soll am kommenden Freitag fallen (siehe nebenstehenden Artikel).

Auch wenn Springer-Vorstand Niewiarra die „Transparenz“ wieder einmal als „Kampfbegriff“ denunzierte, so kam er doch zugleich mit dem erstaunlichen Vorschlag, die Medienanstalten in Zukunft mit den recht umfassenden Auskunftsrechten auszustatten, die das Bundeskartellamt besitzt. Ähnliches haben die Medienanstalten gerade gefordert. Vielleicht kommen die Dinge ja jetzt in Bewegung. Michael Rediske