100 Jahre Strom statt Pferd

■ Oberleitungen für die Straßenbahn lösten die Pferdeäpfel ab

100 Jahre Strom statt Pferd

Oberleitungen für die Straßenbahn lösten die Pferdeäpfel ab

Gemütlich zockelten Pferde durch die Straßen der Städte und zogen die Passagiere in Gleiswagen hinter sich her. Ab und zu ließen die Zugtiere einen ihrer „Äpfel“ fallen, was wohl niemanden so recht störte. Mit dieser Beschaulichkeit war es jedoch vorbei, als die erste elektrische „Tram“ zum Erstaunen des Publikums in Hannover am 19. Mai 1893 vom Königsworther Platz bis zum Schloß Herrenhausen fuhr.

Ganz ungehindert kam der Siegeszug der Technik vor 100 Jahren allerdings nicht zustande. Einige Honoratioren fürchteten, daß Oberleitungen ihre Stadt verunzieren könnten.

Daher durften im Zentrum der Städte nur mit Akkumulator betriebene Wagen fahren. Auch die Pferdebahnwagen blieben noch bis 1897 erhalten — offenbar wurden Pferdeäpfel im Stadtkern noch lieber gesehen als die fünf Meter hohen Oberleitungen, die Symbole der modernen Zeit.

Für die Passagiere, die mit 15 Kilometern in der Stunde durch die Stadt „sausten“, änderte sich übrigens zunächst kaum etwas. Sie saßen in umgebauten Pferdebahnwagen, die sich nur durch eine elektrische Ausrüstung und einen offenen Führerstand von den vorherigen Wagenmodellen unterschieden. Gern gesehen war die erste elektrische Straßenbahn aber allemal: Sie war schneller als Pferdebahnen, und innerhalb von nur zehn Jahren verfünffachte sich die Gleislänge.

Thomas Nagel /dpa