: Abgesang auf soziale Stadterneuerung
Senat will Mieten bei öffentlicher Förderung am Mietspiegel orientieren / Mieterberater fürchten „öffentlich geförderte Vertreibung“ / Runder Tisch Stadterneuerung fordert Mitsprache ■ Von Uwe Rada
Berlin. Geht es nach dem Willen der Senatsbauverwaltung, sollen sich auch im Falle öffentlich geförderter Modernisierungen die Mieten künftig am Mietspiegel orientieren. „Wir können es uns nicht mehr leisten, mit einer niedrigen Einstiegsmiete alle zu beglücken“, betonte der für die Ausarbeitung neuer Modernisierungsrichtlinien verantwortliche Senatsmitarbeiter, Wollschläger, bei einem Runden Tisch Stadterneuerung am Montag. Wollschlägers Zauberformel: „Subjektorientierte Objektmieten“. Ähnlich wie bei Sozialwohnungen könnte man auch bei staatlichen Erneuerungsmaßnahmen eine Art Fehlbelegungsabgabe für Besserverdienende einführen. Bis Herbst sollen laut Wollschläger die neuen Modernisierungs- und Instandsetzungs- Richtlinien ausgearbeitet sein. Insgesamt sechs Förderprogramme und auch erheblich höhere Mietforderungen als bisher sollen dann den Hauseigentümern öffentliche Gelder schmackhaft machen.
Die Senatspläne waren erst kürzlich von den Berliner Mieterberatungsgesellschaften als „öffentlich geförderte Mietervertreibung kritisiert“ worden. Grund: Im Programmteil „stadtweite Maßnahmen“ etwa, mit denen vor allem die Grundinstandsetzung von Wohnungen gefördert werden sollen und deren Richtlinien bereits seit April gelten (taz berichtete), kann die Miete bis zu zehn Prozent über den Mittelwert des Mietspiegels steigen. Zuzüglich der Beschaffenheitszuschläge kostete dann eine Wohnung in Ostberlin, so die Kritik, über neun Mark pro Quadratmeter. Vorgesehen sei außerdem weder eine Sozialbindung, etwa das Belegungsrecht durch die Kommunen, noch ein Sozialplanverfahren, das die Mieter vor sozialen Härten schützt.
„Stadterneuerung wird künftig ein mühsamer Prozeß des Aushandelns in einzelnen Fällen“, meinte denn auch Theo Winters von der Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. auf der Veranstaltung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, neue Impulse für die politisch Verantwortlichen im Senat zu geben. Doch auch bei den Mieterberatungsgesellschaften und Sanierungsträgern herrschte allenthalben Ratlosigkeit. Dem geschätzten Erneuerungsbedarf in Ostberlin von 60 Milliarden Mark allein für die Grundinstandsetzung stehen 1993 Gelder von 715 Millionen für Altbausanierung gegenüber.
Während Theo Winters dafür plädierte, die Mittel effektiver und unter Ausnutzung aller städtebaulichen Steuerungsmöglichkeiten einzusetzen, stellte Sigmar Gude vom Forschungsinstitut Topos gar den Erneuerungsbedarf insgesamt in Frage: „Die Wohnungen in Ostberlin sind meist in einem erheblich besseren Zustand, als es die Fassade ahnen läßt.“ Gude forderte insbesondere eine Stärkung der Mietermodernisierung, ein Programmteil, der mit bisher 50 Millionen Mark eher ein Schattendasein fristete. Auf grundsätzliche Kritik stießen die neuen ModInst- Richtlinien vor allem bei der Mieterberatung Prenzlauer Berg. Die geplanten Sanierungsmieten seien von der Hälfte der Bevölkerung nicht zu bezahlen, kritisierte Heinrich Jüttner, der das Ende der sozialverträglichen Stadterneuerung befürchtete. Sein Appell: Der Senat solle vor allem die Folgekosten der Mietervertreibung berücksichtigen. Dauerhaft sozialverträgliche Mieten kämen das Land immer noch billiger als die Finanzierung von Obdachlosigkeit.
Der Großteil der Wohnungen wird, da gaben sich alle Beteiligten realistisch, privat modernisiert werden. Um der drohenden Mietervertreibung entgegenzutreten, forderten die Mieterberater auch für Privatmodernisierungen ein Sozialplanverfahren, die Begrenzung der zulässigen Kostenumlage von derzeit elf auf sieben Prozent sowie die restriktive Anwendung von Erhaltungssatzungen und Milieuschutzverordnungen.
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