Müde Mieter muntermachen

Beim Bier mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Mahlo, der die Stadt mit der geplanten Freigabe der Mieten in Angst und Schrecken versetzte,  ■ saß Uwe Rada

Daß Herr Dietrich Mahlo, Berliner Bundestagsabgeordneter der CDU und bald sechzig Jahre alt, nun wieder in der letzten Reihe des Parlaments Platz nehmen muß, hat er eigentlich nicht verdient. Selten genug kommt es schließlich vor, daß die Besten der politischen Klasse ihr Insiderwissen zum Wohle der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. In der Wohnungspolitik zum Beispiel. Der Neubau, sagt Herr Mahlo, da wolle er dem Nagel gar keinen Vorwurf machen, sei schlicht zu teuer: „Ich weiß nicht, warum die heute überhaupt noch bauen, aber das hat ja wohl mit Steuerabschreibungen zu tun.“ Wenn man schon nicht ins Umland ziehen wolle, müsse man eben zusammenrücken.

„Unerträglich“ findet es Herr Mahlo geradezu, daß „die großen Altbauwohnungen mit Stuck und Parkett“ vielerorts billiger seien als die Marzahner Plattenbauten. Er wolle ja nicht unterstellen, daß Wohnraum gehortet werde, aber einen Anreiz müsse man den Rentnern in den unterbelegten Wohnungen schon geben. Zum Beispiel, um an einen „sympathischen Studenten“ zu vermieten. Das hat sich Fastrentner Mahlo, der in Charlottenburg eine 200 Quadratmeter große Wohnung bewohnt („kostet eigentlich keine Miete“), selbst schon vorgenommen, „wenn die Kinder erst mal aus dem Haus sind“. Falls die Mieten aber weiterhin niedrig blieben, „bleibt alles beim alten“. Deshalb sei die Angleichung der Altbaumieten an den freifinanzierten Neubau volkswirtschaftlich sinnvoll.

Daß sich ein ungewöhnlicher Politiker seinen Kritikern stellt, ist selten genug. Nachgerade den Glauben an die Politik zurück gibt es freilich, wenn es überdies auf solch sympathische Weise geschieht. Politikverdrossen ist er nicht, dieser „mietenpolitische Geisterfahrer“, wie ihn jüngst sein Parteifreund Landowsky tituliert hat. Eher einer, der sich nicht scheut, Politik auch in der ersten Person zu machen, oder wie es der Berliner Mieterverein formulierte, das eigene schlechte Gewissen zum Antrieb für sein Handeln.

Auch gegen die Spekulanten: „Die Immobilienhändler“, findet auch Herr Mahlo, „sind nämlich die großen Wendegewinnler, und es stört mich, daß ich denen mit meinem Vorschlag einen Gewinn verschafft hätte.“ Aber auch hier sei vorgesorgt, erstens flössen die Spekulationsgewinne zur Hälfte wieder in das Stadtsäckel zurück, zweitens beuge eine Mietsteigerung spekulativen Entmietungspraktiken vor, und drittens habe er im Bundestag auch schon einen Antrag zur stärkeren Besteuerung von Hauseigentümern eingebracht, aber darüber schreibe die Presse natürlich nichts.

Sorge bereitet ihm auch die Umwandlung in Eigentumswohnungen. „Wenn mir meine Wohnung heute zum Kauf angeboten würde, könnte ich sie nicht zahlen.“ Aber man wäre ja auch blöd, das zu tun, schließlich könnte man das Geld auch auf die Bank bringen und von einem Drittel der Zinsen die billigen Mieten bezahlen.

Ein Problem sei es nur, denkt er zum Ende des Bierglases nach, daß man den normalen Bürgern nicht vermitteln könne, was man sich dabei denke. Den Parteifreunden offenbar auch nicht. Er hat unterdessen seinen Antrag zurückgezogen, mithin darf also wieder links gefahren und überholt werden. Mahlo, immer für eine Überraschung gut, gibt sich nun gar überzeugt, daß die Berliner Mietbegrenzung von jährlich fünf Prozent auch über 1994 hinaus Bestand habe. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Politiker. Schade nur, daß dies selbst Mahlos Mitarbeiter entgeht. Der nämlich hatte eingeräumt, daß er seinen Chef gerne mit einem anderen Thema bekannt gemacht hätte.