Namenzirkus und Kandidatenküren

■ betr.: "Schäuble gegen Lafontaine" (Antje Vollmer), "Das Primat des Machtwechsels" (Michael Sontheimer), taz vom 11./12.5.93

betr.: „Schäuble gegen Lafontaine“ (Antje Vollmer), „Das Primat des Machtwechsels“ (Michael Sontheimer), taz vom 11./12.5.93

Gerade ein paar Wochen ist's her, als die taz (zu Recht) über die überflüssige Bundespräsidentenvorschlagspräsentation verschiedener Wochenzeitungen spöttelte. Nun, da die SPD mal wieder auf der hoffnungslosen Suche nach neuen Führungsköpfen ist, fängt die taz mit dem gleichen Scheißspiel an.

Jeder Redakteur wirft sich für seinen persönlichen Liebling ins Zeug. Hier eine Scharping-Vorstellung, da ein Wieczorek-Zeul- Porträt und dazu noch ein Geheimtip Stolpe (Höret Mohr!), garniert mit Interviews von SPD-Promis (Glotz und Thierse) und potentiellen Kandidaten (Schmidt und Schröder). Doch nicht genug, jetzt geht's erst los. Dienstags trommelt Frau Vollmer für ihren Oskar-Schatz (nur der kann's), und mittwochs empfiehlt Kellermeister Sontheimer höchstpersönlich „Ich bin's!“-Schröder. Vielleicht beteiligt sich die Sport- und Medienredaktion ja auch noch und verarscht somit ihre Kollegen.

Mir reicht's auf jeden Fall mit diesem Namenzirkus und Kandidatenküren, diesen Geheimtips und ultimativen Empfehlungen. Soll sich die SPD weiterhin damit lächerlich machen, aber bitte nicht die taz; sonst ohne mich! Eberhard Stett, Zußdorf

Volle Zustimmung zu Michael Sontheimers Kommentar! Mir ist eigentlich unverständlich, wie Antje Vollmer auf Lafontaine gekommen ist. Das ist wohl nur daher zu erklären, daß sie sich einzig und allein auf die Bundestagsdebatten freut, wobei sie stillschweigend von vornherein von einem Kanzler Schäuble und einem Oppositionsführer Lafontaine ausgeht.

Schröders ungebremster Wille zur Macht kann natürlich auch gefährlich werden. Seinen GenossInnen zum Trost, die eine zu starke Machtkonzentration in einer Hand befürchten, hat er aber in der taz bereits angedeutet, nach einer gewonnenen Bundestagswahl zum Verzicht auf das Amt des Parteivorsitzenden bereit zu sein. Zudem hat er auch den einzig realistischen Weg an die Macht erkannt: eine Koalition mit Bündnis 90/Grüne. Vorausgesetzt, diese treten mit einer etwas durchsetzungsfähigeren Frau-/Mannschaft als in Niedersachsen an, die zugleich etwas mehr Stimmprozente im Rücken hat, stellt das ebenfalls eine Begrenzung seiner Macht dar. [...]

Daß grundlegende Weichen nicht in die falsche Richtung gestellt werden, daß die zu erbringenden finanziellen Opfer nicht überwiegend den Ärmeren abverlangt werden, daß der gefährlichen Atomenergie der Garaus gemacht wird, daß das faule „Grüne Punkt“-System geändert wird, daß die Bundeswehr nicht gedankenlos in alle Welt marschiert – all das können wir von einer solchen Regierung durchaus erwarten. Bundeskanzler Schröder, Bundesbildungsministerin Birthler, Bundesumweltminister und Vizekanzler Fischer und x Ministerinnen für Bündnis 90/Grüne – das ist doch eine Perspektive! [...] Markus Strobl, Ostberlin