„Guter Stoff für eine Seifenoper“

Die unendliche Geschichte um die Vorwürfe gegen Adrienne Goehler, umstrittene Präsidentin der Hamburger Hochschule für bildende Künste und ehemalige GAL-Politikerin  ■ Aus Hamburg Kaija Kutter

An Hamburgs Hochschule für bildende Künste überschlagen sich die Ereignisse. Erst am 8. Mai traten die Professoren demonstrativ aus dem Hochschulsenat zurück. Vor wenigen Tagen veröffentlichte diese Gruppe ein als Dienstaufsichtsbeschwerde getarntes Pamphlet gegen die amtierende Präsidentin Adrienne Goehler. Diese droht mit disziplinarischen Konsequenzen, zwei Professoren tags drauf mit Kündigung. Bürgerschaftsabgeordnete pilgern in die Kunsthochschule, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Kein Tag mehr ohne Goehler-Streit — die Öffentlichkeit schaut japsend zu.

„Das wär guter Stoff für eine Polit-Soap-Opera: Da gibt es eine schöne Frau, die kämpferisch ist. Kantige junge Professoren. Und dazwischen ein ältlicher Wissenschaftssenator, der den Streit zwischen beiden schlichten soll.“ Die Mitarbeiter der Hamburger Wissenschaftsbehörde (BWF) haben für den Krach an der HfbK nur noch bitterbös sarkastische Bemerkungen wie diese übrig. Und eine latente Sympathie wohl auch für die ehemalige GAL-Politikerin Goehler, die seit einem Jahr im Dauerfeuer der öffentlichen Kritik steht und trotzdem nicht zurücktritt.

Denn die Juristen im BWF- Rechtsreferat hatten die undankbare Aufgabe, aus einem Geheim- Dossier, das der Goehler-Hasser und Kunsthochschul-Professor Joachim Lenger letzten Sommer verfaßte, arbeitsrechtlich relevante Vorstöße herauszufiltern. Von insgesamt 14 Vorwürfen könne man neun gleich vergessen. Fünf dagegen enthielten „zumindest vorhaltbare Fakten“, sagte Wissenschaftssenator Leonard Hajen letzte Woche auf der Hamburger Landespressekonferrenz. Doch die Journalistenschar, inzwischen mehr auf Anti-Goehler- Kurs, hörte nicht zu.

„Vorwürfe begründet“, titelten die Zeitungen am nächsten Tag, ergänzt durch griffige Details aus der Dienstaufsichtsbeschwerde, die die HfBK-Professoren eiligst über den dpa-Ticker schickten (anders wird in der Kunsthochschule am Lerchenfeld zur Zeit sowieso nicht kommuniziert).

Derweil schreibt Adrienne Goehler an einer Erklärung zu dem fünf verbliebenen Punkten, deren Veröffentlichung Ende Mai einen Schlußstrich unter das gegen sie eingeleitete Disziplinarverfahren setzen soll. Vorher will sie sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Doch die Lektüre des Geheim- Dossiers — hochschulintern in geringer Auflage verbreitet — gibt dennoch Aufschluß über Art und Ursprung der Querelen. Ein Problem der Hamburger Kunsthochschule ist anerkanter Maßen die Personalstruktur. Der hohe Anteil älterer männlicher Hochschullehrer und der geringe Anteil von Frauen. Als bei der Neuberufung von fünf Stellen im letzten Frühjahr der Anteil weiblicher Bewerberinnen unter 10 Prozent lag, bat die Frauenbeauftragte Réne Verdan darum, die Frist zu verlängern. Die Präsidentin gab dem statt. Hätte sie nicht dürfen, weil die Fachbereichsräte und Berufungskommisionen nicht hinreichend informiert waren, schreiben ihre Gegner.

In einem anderen Fall wird das Ansinnen der Präsidentin, eine Vollversammlung am Fachbereich Industrial Design durchzuführen, als „Übergriff“ auf die „Kompetenz des Fachbereichs“ gegeißelt. Zu guter Letzt wird der Präsidentin Frauenfeindlichkeit vorgeworfen, weil die Frauenbeauftragte nicht ordnungsgemäß vom Hochschulsenat, sondern von einer Vollversammlung der lehrenden Frauen an der Kunsthochschule gewählt wurde. Allen gemein sind den „Vorwürfen“ ein unglaublicher Formalismus und die erhöhte Bereitschaft, sich über alles und jedes aufzuregen. Daß ein pensionierter Professor im Foyer Silberhochzeit feiern durfte, zum Beispiel.

Dabei ist der Autor der Goehler-Schmähschrift in jedes Ereignis derart verliebt, daß es unter verschiedenen Überschriften mehrmals auftaucht.

Diese Penetranz — von der Hamburger Öffentlichkeit wenig wahrgenommen — ruft hochschulintern die gegenteilige Reaktion hervor. „Diese Kampagne wird so schmutzig geführt, da muß man einfach für Adrienne sein. Das ist ein Frage der Würde“, sagt beispielsweise der Studentenvertreter Karsten Wagner.

Während vor einem Jahr die Goehler-Gegner noch allerhand Rückhalt hatten — 30 Professoren unterschrieben offiziell die Rücktrittforderung — habe sich diese Gruppe inzwischen alle Sympathien verscherzt. Wagner: „Zu sagen, Goehler schade den Interessen der Frauen, das hat schon eine gewisse Komik.“ Die Wahl der damals 35jährigen Diplompsychologin 1989 zur Präsidentin war von Anfang an umstritten. Doch jetzt sind es gerade ihre anfänglichen Kritiker, die sich hinter sie stellen. „Frau Goehler hat was dazu gelernt. Hatte anfangs nur politische Erfahrungen“, sagt Architektur- Professor Hartmut Frank.

Sie habe ein paar Dinge begriffen, die im Haus strukturell nicht in Ordnung sind, wie die Bevorzugung der Freien Kunst gegenüber den übrigen vier Fachbereichen. Hatte unter Alt-Präsident Carl Vogel nur die Freie Kunst einen Etat für Gastprofessoren, so wurde dieser unter Goehler gesplittet. Von den 100.000 Mark bekamen die Fachbereiche Architektur, Industrial Design und Kunstpädagogik je 10.000 Mark ab. Auch mußten einige Professoren von größeren Ateliers in kleinere ziehen, um Platz für Studenten zu schaffen.

Letztendlich hat Adrienne Goehler an der HfbK mehr Unterstützer als Feinde. 40 Professoren und 400 Studenten unterschrieben kurz vor Weihnachten den Appell, die Kampagne gegen die Präsidentin zu beenden. Da es in Wirklichkeit um ganz andere Dinge gehe — eben der Gewichtung der Freien Kunst gegenüber Grafik, Architektur und Design — wünschen sie dringend eine Entpersonaliserung des Konflikts.

Wenn das Feindbild Adrienne nicht wär, so ihre Vermutung, wären die Opponenten im Nu zerstritten.