'Arme sind Politik-Opfer'

■ Gespräch mit DVU-MdBBü Weidenbach über Armut

20 Prozent aller BremerInnen sind arm, haben die Wohlfahrtsverbände in ihrem Armutsbericht errechnet. Sie haben keine Chance, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Unter dem Titel „Armut ist (k)eine Schande“ findet am 25.5. (ab 12.30 Uhr) auf dem Markt eine öffentliche Diskussion zum Thema Armut statt. Die taz eröffnet die Debatte mit einer kleinen Interview-Reihe.

taz: 20 Prozent aller Menschen in Bremen leben unterhalb der Armutsgrenze. Haben Sie politische Konzepte für diese Menschen?

Hans-Otto Weidenbach (DVU-Abgeordneter in der Bürgerschaft): Die Probleme sprechen wir laufend in der Bremischen Bürgerschaft an. Auch Konzepte werden dort laufend angeboten. Ich denke mal, daß gerade jenen bedürftigen Deutschen in Bremen besonders zu helfen wäre. Es gibt eine Vielzahl von fragwürdigen Geldausgaben, die man überdenken sollte.

Welche Ausgaben halten Sie für fragwürdig?

Da gibt es eine breite Palette, ich denke zunächst an den Bereich Kunst und Kultur, aber auch an den Bereich der Asylpolitik. Da sollten die Gelder schon sorgfältiger eingesetzt werden.

Wenn Sie sagen, „um Deutschen besonders zu helfen“ — welchen Deutschen wollen Sie dann helfen?

In der vergangenen Bürgerschaftssitzung wurde die Problematik der psychisch und physisch Behinderten angesprochen. In Bremen gibt es ja rund 20.000 behinderte Mitbürgerinnen und Mitbürger, von denen viele an oder unterhalb der Armutsgrenze leben. Wenn die Sozialsenatorin jetzt plant, rund fünf Millionen Mark bei den Leistungen für Behinderte zu kürzen — dann muß man sich fragen, ob das zu verantworten ist. Einige hundert Mark im Monat weniger für einen Sehbehinderten sind für mich ein Skandal. Das sollte man sein lassen.

Welche Kosten sollten in der Asylpolitik eingespart werden?

Auch dies ist ein weites Feld und wäre aufzuschlüsseln. Wenn der SPD-Oberbürgermeister von Pforzheim errechnet hat, daß bundesweit alljährlich rund 35 Milliarden Mark für die Asylpolitik ausgegegeben werden müssen, läßt sich ein Anteil für Bremen errechnen. Und hier ist die Problematik ja nicht anders als in anderen Bundesländern, vielleicht sogar etwas dramatischer.

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Weidenbach

Sind Sie dafür, daß Sozialhilfe nicht mehr voll den steigenden Lebenshaltungskosten angepaßt wird?

Solange für Dinge Gelder ausgegeben werden, die nicht so vorrangig sind, sollte man nicht bei den Bedürftigen anfangen zu sparen. Wer heute in Not gerät, als Arbeitsloser oder als Langzeitarbeitsloser, der ist doch Opfer der herrschenden Politik und wird nun doppelt dafür bestraft. Ich halte das für fragwürdig und auch für kriminalpolitisch gefährlich.

In Ihren Wählerschichten finden sich ausgesprochen viele Leute, die sich sozial benachteiligt fühlen, für die das Stichwort „Sozialneid“ eine große Rolle spielt. Bedienen Sie das mit Ihren politischen Strategien?

Sozialneid — wie ist das zu verstehen? Daß jeder, der auf der Straße steht, mit Neid auf jemanden blickt, der Arbeit hat? Neid — ich weiß nicht. Aber Verärgerung könnte ich mir bei denjenigen vorstellen, die am Rande des Existenzminimums leben und den zig-tausendfachen Mißbrauch von Sozialleistungen auch durch Asylbewerber zur Kenntnis nehmen müssen. Fragen: Birgitt Rambalski