Ritter des Basketballs

Die US-Basketball-Liga NBA hat ihr Traum-Halbfinale: Chicago Bulls gegen New York Knicks  ■ Von Matti Lieske

Michael Jordan erinnert auf eine verquere Weise an jenen unverwüstlichen Recken aus Monty Python's Ritter der Kokosnuß, dem von einem genervten König Arthur nacheinander sämtliche Gliedmaßen abgeschlagen werden und der doch nicht nachläßt in seinem Kampfgeist, sondern seinen Gegner weiter eifrig beleidigt und herausfordert. Was dem sprunggewaltigen Basketball-Ästheten der Chicago Bulls auch zustößt, er schlängelt sich einfach weiter gewandt durch die Reihen der Abwehrspieler und trifft den Korb, wie und von wo er will. Sieben Matches hat Jordan in sieben Jahren versäumt, und besonders in den Playoffs müßten ihn die Gegner schon gefesselt und geknebelt auf einer einsamen Insel aussetzen, um ihn am Spielen zu hindern.

„Wenn ich voll auf der Höhe bin“, sagt er, „ist es für jeden schwer, mich zu bewachen.“ Bescheidener kann man es kaum ausdrücken. Für Gerald Wilkins von den Cleveland Cavaliers, gewiß kein Anfänger, wurde Jordan in der zweiten Playoff-Runde zum Alptraum, obwohl er keineswegs auf der Höhe war. Schon in der letzten Erstrundenbegegnung gegen Atlanta hatte sich Jordan schwer den Knöchel verstaucht, um dann im letzten Viertel wieder auf das Spielfeld zu humpeln und Match und Serie zugunsten der Bulls zu entscheiden. Im ersten Spiel gegen Cleveland war er für Wilkins dann das reinste Phantom. 43 Zähler steuerte Jordan zum 91:84-Sieg Chicagos bei, im zweiten Match waren es dann bloß 18 Punkte, erstmals nach 59 Spielen blieb er im Playoff unter 20.

Aber es gab eine gute Entschuldigung: im dritten Viertel hatte er sich das rechte Handgelenk verstaucht. Doch trotz Handicaps war der 30jährige auch bei den nächsten beiden Siegen zum 4:0-Gewinn der Serie der maßgebliche Mann. Anfangs hatte er jeweils Schwierigkeiten, das Handgelenk warm zu spielen, dribbelte meist mit links und warf einige Luftlöcher, gegen Ende lief er aber zu großer Form auf. Beim entscheidenden 103:101 im vierten Match gelang ihm drei Zehntel vor Schluß schwer bedrängt von Wilikins, fast von der Dreipunktlinie, im Rückwärtsfallen der entscheidende Korb. Danach führte selbst der sonst so coole Jordan einen kleinen Veitstanz auf, bevor er sagte, daß er sich sehr auf das Halbfinale gegen die New York Knicks freue.

Die ganze bisherige Saison steuerte auf diesen Showdown der Titelverteidiger mit den frechen Herausforderern aus New York zu. Alles, was bisher war, kann getrost vergessen werden, auch die drei Siege der Knicks gegen die Bulls in der Vorrunde. „Jetzt beginnt der Ernst“, gibt Jordan die Parole für die erste Partie am Sonntag aus.

Lange hat es gedauert, bis die Knicks, Meister von 1973, wieder den Sprung in die Spitze schafften. Der Grundstein für den Aufschwung wurde 1985 gelegt, als die Knickerbockers in einer Verlosung, an der die sieben schlechtesten Klubs der abgelaufenen Saison teilnahmen, den Hauptgewinn zogen: Patrick Ewing, den in Kingston, Jamaika geborenen 2,13 Meter großen Center der Georgetown University. Doch erst mit dem stets in feinsten Zwirn gehüllten Coach Pat Riley, der zuvor mit den Los Angeles Lakers diverse Meisterschaften gewonnen hatte, kam der Durchbruch. „Seine Kleidung ist der reinste Tarnanzug“, sagt Doc Rivers von den Knicks. „Er sieht damit so liebenswert aus, daß du einen Typen mit einer ähnlichen Persönlichkeit erwartest. Aber das ist es nicht, was du findest.“

Riley, kürzlich zum NBA- Coach des Jahres gewählt, brachte den Knicks Selbstbewußtsein, Siegeswillen und Brutalität bei. Als „Hooligans der Liga“ sind die New Yorker gefürchtet. „Ich erinnere mich an die Knicks, als sie 1991 leicht von den Bulls eliminiert wurden“, sagt Riley. „Alle sagten, es sei ein Team ohne Herz und Mut. Jetzt sind wir eine harte und starke Mannschaft, und alle wollen, daß wir wieder wie früher sind. Von wegen! Wir werden nie ein schwaches Team sein. Nicht, solange ich Trainer bin.“

Im Duell mit den Bulls ist New York diesmal leicht favorisiert, doch Michael Jordan ist keineswegs bange. Kürzlich habe er den Knicks-Fan Spike Lee getroffen, erzählt er, und ihn gefragt: „Du glaubst, daß die Knicks dieses Jahr gewinnen, nicht wahr.“ „Aber ja doch“, habe der Regisseur gesagt. Jordans Antwort: „Surprise, surprise, surprise.“

NBA-Playoffs: San Antonio Spurs - Phoenix Suns 100:102 (Phoenix gewinnt Serie mit 4:2); Houston Rockets - Seattle SuperSonics 103:90 (3:3)