Munition für die Ausstiegs-Debatte

■ Klaus Traube und Inge Schmitz-Feuerhake beim Kongreß „Atomenergie am Ende“

Die Debatte um den Ausstieg aus der Atomenergie ist wieder in aller Munde. Mindestens das ist ein vorläufiges Ergebnis der geplanten Konsens-Gespräche zwischen Atom-Lobbyisten und Politikern. Die Grünen in Nordrhein- Westfalen haben diese Debatte aufgenommen: Am Wochenende fand in Köln ein Kongreß zum Thema Atomenergie am Ende statt. Mittenmang: die Bremer Klaus Traube und Inge Schmitz- Feuerhake.

Klaus Traube ist Leiter des Bremer Instituts für Kommunale Energiepolitik. Er warnte vor einer reinen Sicherheitsdebatte in der Auseinandersetzung um Atomkraft. „Die Erwartung an die Konsens-Gespräche ist die, daß die Kernkraftwerksbauer vom Jahr 2000 an mit einem neuen Reaktor-Typ in die Atomenergie wieder einsteigen wollen.“ Derzeit werde bei Siemens und einem französischen Unternehmen ein Reaktor geplant, der auch einen Super-Gau, also das Schmelzen eines Reaktorkerns, zu einem beherrschbaren Störfall degradiere. Traube vermutet, daß in den Entwicklungsetagen derzeit riesige Auffangwannen entworfen werden, die unterhalb eines Reaktorkerns angebracht und den schmelzenden Kern (2.500O) aufnehmen sollen. „Absolute Sicherheit werden diese Maßnahmen aber nicht bringen“, meint Traube.

„Die Welt wird erst wieder sicher sein, wenn diese Technologie verschwindet.“ Technisches Versagen von Systemen gehöre zu den „harmloseren Problemen“ der Atomkraft, erklärte Traube unter Berufung auf Carl-Friedrich von Weizsäcker weiter. Dabei malte er ein düsteres Bild über die Folgen von kriegszerstörten Atomreaktoren. „Stellen Sie sich vor, Siemens hätte ein Atomkraftwerk in Bosnien gebaut, da hätten Sie Tschernobyl jetzt vor der Haustür.“

Die Bremer Physik-Professorin Inge Schmitz-Feuerhake referierte über die Folgen von Niedrigstrahlung. Schon seit den dreißiger Jahren sei nachweisbar, daß ionisierende Strahlung Mutationen auslösen. Tückischerweise gebe es für die Auslösung solcher Mutationen keine Grenzwerte. Genetische, irreversible Schäden und auch Krebs können nach Schmitz- Feuerhake schon „bei beliebig kleiner Dosis und nur kurzer Dauer der Strahlung“ ausgelöst werden. Die natürliche Grundstrahlung sei Auslöser für 10 Prozent aller Krebsfälle, erklärte Schmitz-Feuerhake, schon der Normalbetrieb von AKWs sei gefährlich. „Dieser Niederdosiseffekt wird öffentlich völlig falsch eingeschätzt.“

Erstmals beobachtet worden sei das Phänomen der „Dosisproportionalität“ als Folge von Röntgen-Strahlung, durch neuere Forschungen würden diese Zusammenhänge untermauert. Eine Studie über vermehrte Fälle von Kinderleukemie in der Nähe der atomaren Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield habe diese Zusammenhänge bestätigt. Eine weitere Untersuchung von Leukämiefällen um das niedersächsische Kernkraftwerk Krümmel läuft: „Ich bin sicher, wir werden eine enorme Überschreitung der Grenzwerte messen“, erklärte Schmitz-Feuerhake, die selbst an der Arbeit beteiligt ist.

Aufgrund der Analyse von Chromosomen will die Wissenschaflterin rekonstruieren, wie hoch die Strahlendosen gewesen sein müssen, um zu vorliegenden Schäden zu führen. „Wie im Lehrbuch“ seien die Leukämiefälle um Krümel fünf Jahre nach Inbetriebnahme des Reaktors (1984) aufgetreten, im Nahbereich fünf Kilometer um das AKW. „Normalbetrieb bedeutet, daß sehr viel mehr Strahlung herauskommt als zugegeben wird, und ich bin sicher, daß wir diese erhöhte Strahlung messen werden.“ Markus Daschner