■ Senat in der Sackgasse: Geheimdiplomatie
Warum wird ein seit Monaten zwischen Bonn und Berlin feststehender Verhandlungstermin abgesagt, um ihn in eine Vier-Augen- Plauderei münden zu lassen? Welches Ergebnis sollte ein Tête- à-tête Diepgens mit Schwaetzer zeitigen, das nicht auch in offizieller Runde zu erreichen wäre? Die Vorwarnung der SPD an den Koalitionspartner, daß auch der Regierende Bürgermeister an die verkehrspolitischen Absprachen gebunden sei, spricht Bände. Die Erinnerungen an Diepgens Bonner Acht-Augen-Gespräche vor der letzten Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses, bei denen er Außenminister Kinkel die Spreeinsel – zum zu späten Entsetzen aller – andiente, sind noch frisch. Der gleiche Verweis auf die Abhängigkeit Berlins von der Hauptstadtfunktion, mit denen er seinen damaligen Coup rechtfertigte, wird Diepgen auch diesmal dazu verleiten, Regelungen zuzustimmen, die mit dem Begriff Kompromiß geradezu euphemistisch umschrieben sind, legitimieren sie sich doch lediglich dadurch, noch größeren Unsinn, wie zum Beispiel die Untertunnelung des Brandenburger Tores, zu verhindern. Diepgens Kamingesprächstaktik kann nur auf der Grundlage einer Verkehrspolitik gedeihen, die bereits Resultat einer Reihe mehr oder minder fauler Kompromisse zwischen den beiden Regierungspartnern ist. Die Trassenführung am Brandenburger Tor ist dafür ein vielbelächeltes Beispiel. Da sich SPD und CDU nie über die Grundzüge ihrer Verkehrspolitik verständigt haben, bewegt sich diese im Kräftefeld tagespolitischer Beliebigkeit: Gib du mir meine Busspur, geb' ich dir deine Überholspur. Wen wundert's, wenn Schwaetzer sich diese Konzeptionslosigkeit zunutze macht und gleichfalls lediglich ihre Partialinteressen durchsetzt. Dieter Rulff
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