Holzschutzmittel-Manager verurteilt

■ In Frankfurt ging das größte Umweltstrafverfahren der Bundesrepublik zu Ende / Bewährungsstrafen wegen fahrlässiger Körperverletzung und Freisetzung von Giften / Präzedenzurteil für weitere Verfahren

Berlin/Frankfurt (taz/AP) — Im Frankfurter Holzschutzmittelprozeß hat das Landgericht die beiden angeklagten Manager der Holzschutzmittelfirma Desowag zu jeweils einem Jahr Bewährungsstrafe verurteilt. Das Gericht befand die Geschäftsführer Kurt Steinberg und Fritz Hagedorn der fahrlässigen Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Freisetzung von Giften für schuldig. Die Richter blieben mit ihrem Urteil unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Freiheitsstrafen ohne Bewährung gefordert hatte. Allerdings wurden die beiden zusätzlich zu Schadensersatzleistungen an verschiedene Nebenkläger sowie an die Deutsche Leukämieforschungshilfe in Höhe von insgesamt 240.000 Mark verurteilt.

In seiner Begründung ging der vorsitzende Richter Thomas-Michael Seibert zurück bis in das Jahr 1975, als der erste Fall einer Erkrankung nach der Anwendung von Holzschutzmitteln beobachtet wurde. Schon damals hätten die Angeklagten über die Verdachtsmomente gegen den Inhaltsstoff Pentachlorphenol (PCP), das gegen den Pilzbefall von Holz eingesetzt wird, informiert sein müssen. Bereits 1972 sei in einem Standardwerk über Pflanzenschutz über Kopfschmerzen und viele andere Symptome nach dem Einatmen von PCP berichtet worden. Beschlagnahmte Unterlagen ergaben, daß spätestens 1977 auch den Desowag-Managern Bedenken gegen PCP gekommen waren. Die Rezeptur wurde trotzdem beibehalten, weil eine Änderung zu kostspielig erschien. Im selben Jahr kam es zu einem folgenlosen Ermittlungsverfahren wegen eines Todesfalls, der möglicherweise auf die Anwendung von Holzschutzmitteln zurückzuführen gewesen war.

1984 nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Desowag auf, nachdem dort über 2.000 Strafanzeigen eingegangen waren. Bei dem einjährigen Prozeß vor der Umweltstrafkammer des Frankfurter Landgerichts wurden exemplarisch die Krankengeschichten von zwölf Familien untersucht. Die Betroffenen leiden unter den verschiedensten Symptomen, von Gliederschwäche bis hin zu Leukämie, was einen genauen Nachweis des Zusammenhangs zwischen Holzschutzmittel und Erkrankungen schwierig macht.

Im Laufe des Prozesses kam es daher zu einem Gutachterstreit; die Verteidigung plädierte auf Freispruch der beiden Desowag- Manager und stützte sich dabei auf die Aussagen diverser Toxikologen, die die PCP-Mengen in den Holzschutzmitteln als harmlos bezeichneten. Die Angeklagten und ihre Verteidiger waren sich ihrer Sache so sicher, daß sie einen Vergleich abgelehnt hatten. Gegen die Zahlung von 120 Millionen Mark wäre das Verfahren eingestellt worden.

Auch wenn die Manager zunächst mit ihren Bewährungsstrafen scheinbar glimpflich davonkamen – die eigentliche Bedeutung des Urteils liegt in den klaren Aussagen, die das Gericht damit gemacht hat: Zum einen wurde der Zusammenhang zwischen PCP- Anwendung und Gesundheitsschäden für eindeutig erwiesen erklärt. Zum anderen haben die Richter die persönliche Verantwortung der Unternehmensleitung für ihre Produkte festgestellt. Künftig werden sich Manager vielleicht verantwortungsbewußter verhalten, wenn sie persönlich für Schäden haften. In den nun wahrscheinlich massenhaft folgenden zivilen Prozessen gegen die Desowag werden die Betroffenen aufgrund dieses Urteils gute Chancen haben, Schadensersatz zu erhalten. Die Desowag wird es wohl noch bedauern, nicht auf den vorgeschlagenen Vergleich eingegangen zu sein. lieb