Stromwirtschaft hofft

■ Jahrestagung Kerntechnik in Köln

Köln (taz) – Die Frage einer konkreten Zukunftsperspektive für die Atomenergie in Deutschland ist für führende Vertreter der Nuklearwirtschaft der „neuralgische Punkt“ in den Verhandlungen über einen neuen Energiekonsens. Der Vorstandsvorsitzende des Bayernwerks, Jochen Holzer, verlangte gestern zur Eröffnung der Jahrestagung Kerntechnik in Köln die „Errichtung und Inbetriebnahme fortentwickelter Kernkraftwerke, zumindest als Ersatz-, aber auch als Zubau“ zu den laufenden Meilern.

Der Präsident des Deutschen Atomforums, Claus Berke, sang, wie jedes Jahr, das Hohelied der nuklearen Stromerzeugung, die 1992 etwa ein Drittel zur öffentlichen Stromerzeugung beigetragen habe. Allein diese Zahl wiederlege den von den Grünen veranstalteten Gegenkongreß, der am Wochenende unter dem Motto „Atomkraft am Ende“ am selben Ort stattgefunden hatte.

Bundesumweltminister Töpfer (CDU) pflichtete bei: „Die Option für neue Kernkraftwerke muß konkret eröffnet werden“, um auf diese Weise den drohenden „technologischen Fadenriß“ im Bereich der Kerntechnik zu vermeiden. Bei künftigen Reaktoren müßten jedoch die Schäden auch im Fall einer Kernschmelze auf die Anlage beschränkt bleiben, so daß auf „einschneidende Katastrophenschutzmaßnahmen in der Umgebung“ verzichtet werden könne. Töpfer betonte, dies sei bewußt eine „reaktortypunabhängige Definition“. Praktisch ist jedoch längst entschieden, daß Stromwirtschaft und Reaktorhersteller ausschließlich auf die moderate Weiterentwicklung der derzeit betriebenen gefährlichen Druckwasserreaktoren setzen.

Siemens-Direktor Wulf Bürkle mußte bei einer Pressekonferenz eingestehen, daß derzeit gerade erst die „sicherheitstechnischen Grundlinien“ für den neuen Reaktor entworfen werden. Darüber muß sich der einzige deutsche Reaktorbauer mit seinem französischen Partner Framatome sowie den Stromversorgern und den nationalen Sicherheitsgremien dies- und jenseits des Rheins einigen. Töpfer wertete die Konsensgespräche als „Zeichen der Entspannung“ in der Atomdiskussion. Kernenergie sei wieder „verhandlungsfähig geworden“. Dabei müsse über die Fragen der Zukunft der Kohle, der Kernenergie sowie der Energieeinsparung und der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energieträger „unlösbar in einem Paket“ entschieden werden. „Separatlösungen“ für das eine oder andere könne es mit ihm nicht geben. So lange werde er atomkritische Landesregierungen wie bisher mit Weisungen zur Räson bringen, drohte Töpfer unter dem Beifall des Auditoriums.

Berke warf insbesondere den Regierungen in Niedersachsen und Hessen vor, mit dem von ihnen praktizierten sogenannten „ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug“, die „Axt an unseren Rechtsstaat zu legen“. Dramatischer sieht der Bayernwerk-Stratege Jochen Holzer die Lage im Lande. Holzer: „Die Bürgerinitiativen haben gewissermaßen politisch die Macht ergriffen und beginnen die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie außer Kraft zu setzen.“ Gerd Rosenkranz