Der Schlachthof der Autoträume

■ Erste Berliner Demontageanlage für Altfahrzeuge ging gestern in Mahlsdorf in Betrieb / Bonner Umweltministerium unterstützt das Pilotprojekt / Ausrangierte Autowracks als Geschäft der Zukunft

Mahlsdorf. „Manchmal ist es richtig schade“, seufzt der Mitvierziger im frisch gebügelten Blaumann. Neben ihm in der neuen Fabrikhalle wartet ein silberfarbener 5er BMW: genau die Sorte Wagen, von dem der Ostbürger zu DDR- Zeiten immer geträumt hat. Dann geht es los. Ein Monteur reißt die Elektrik heraus und wirft sie in den Metallkorb mit der Aufschrift „Kabel“. Die Lüftungsschläuche segeln in den Korb für „PE“-Plastik, daneben wartet der Behälter für PVC. Weil nicht jeder Hersteller die gleichen Materialien verwendet, gibt es für die verschiedenen Wagentypen eigene Demontagepläne.

Und wenn dann die Sitze ausmontiert sind und der Bezug vom gelben Schaumstoff gerissen wurde, wenn die Bremsflüssigkeit abgelassen und die Batterie entsorgt ist, wenn der Motor fehlt und die von den Reifen getrennten Felgen längst zu metallenen Kleeblättern gepreßt sind, dann kommt der Höhepunkt: Dicke Stahlarme quetschen die ausgeweideten Fahrzeugskelette durch eine laut wimmernde Presse. Da liegt es nun, das schöne Auto. Zusammengedrückt wie das zerknüllte Silberpapier einer gigantischen Tafel Schokolade.

Es ist nicht die Freude am Umweltschutz, die die Firma Alba Recycling GmbH bewegt hat, gestern am Hultschiner Damm in Mahlsdorf die erste Berliner Demontageanlage für Autos in Betrieb zu nehmen. Entsorgung und Wiederverwertung gilt als Geschäft der Zukunft; allein in Berlin enden jährlich etwa 200.000 Autos auf dem Schrottplatz. Investiert wurden in Mahlsdorf 6,6 Millionen Mark, und weil die Anlage als Pilotprojekt läuft, überweist das Bundesumweltministerium die Hälfte der Summe. Pro Tag will Alba nun rund dreißig PKW in ihre Bestandteile zerlegen, im Jahr wären das 7.500. Sorgen bereiten gegenwärtig allerdings die Verbundmaterialien – Armaturenbretter zum Beispiel, die gleichzeitig aus Metall und Kunststoff gefertigt sind.

Zwar zahlt Alba im Moment noch drauf: Der Verkauf der ausgebauten Ersatzteile und der sortierten Plastik- und Metallkomponenten deckt nicht die Betriebskosten. Und auch die zusätzlichen 50 bis 250 Mark, die das Unternehmen von dem verlangt, der sein ausrangiertes Gefährt anliefert, reichen nicht für schwarze Zahlen. Sobald allerdings Bonn die für 1994 ins Auge gefaßte Entsorgungspflicht für Altautos einführt und Autoindustrie oder Eigentümer zur Kasse gebeten werden, ist man vermutlich dick im Geschäft. Schon jetzt entsorgt Alba in rund zwanzig Berliner Bezirken die abgemeldeten Fahrzeuge mit dem roten Punkt. Franz Josef Schweitzer, Mitinhaber von Alba, stellte bei der Eröffnung der Anlage schmunzelnd klar, daß natürlich auch er ein Monopol anstrebe, wie alle Unternehmer.

Der Präsident des Umweltbundesamts, Heinrich Freiherr von Lersner, hörte das nur ungern. Er nannte das „Produkt Auto“ eine „Verschleuderung“ von Rohstoffen. Nicht nur, weil bereits bei der Herstellung eines Personenwagens eine Müllmenge anfällt, die 25mal soviel wiegt wie das ganze Fahrzeug. Lersner kritisierte die Gebrauchsdauer von im Schnitt zehn Jahren: „So kurz wie eine Glühbirne.“ Bernhard Landwehr