„Vogel soll Einsatzleiter werden“

■ Bonner Polizeipräsident Kniesel zur Demo an der Bannmeile

taz: Herr Kniesel, ein massives Polizeiaufgebot – über 4.000 Beamte – verteidigte am Tag der Asylrechtsänderung die Bonner Bannmeile. Einige hundert Jugendliche wurden sogar von einem Sondereinsatzkommando (SEK) verjagt – ein bislang einmaliges Ereignis bei einer Bonner Demo. War dies das Ende ihres sonst immer propagierten Konzepts der Deeskalation?

Kniesel: Keineswegs, aber die Kids, die im Gegensatz zur Mehrheit der friedlichen Autonomen aus dem Ruder gelaufen sind, hatten die Grenze einfach überschritten. Die Staatsgewalt hat dabei immer noch ihre Kräfte wohl dosiert und verhältnismäßig eingesetzt. Schließlich, so sagte mir ein Beamter, hätte das SEK lediglich „Streicheleinheiten“ ausgeteilt. Anders als in Bayern, wo für die Polizei schon bei Trillerpfeifenlärm die Gefahrenschwelle überschritten ist, gibt's bei uns eben erst dann eins auf die Finger, wenn Steine geworfen werden. Auch ein Deeskalationsmodell muß sich im richtigen Zeitpunkt Zähne zulegen, um letztlich glaubwürdig zu bleiben.

Einige Parlamentarier sehen das offensichtlich anders. Ihre „zu weiche Gangart“ wurde heftig kritisiert, und Regierungssprecher Vogel kündigte sogleich „ein Nachspiel“ an. Läßt Sie das kalt?

Wenn Herr Vogel will, werden wir ihn als künftigen Einsatzleiter ins Kalkül ziehen. Schließlich brauchen wir immer Leute. Aber mal im Ernst: Wir hatten am Mittwoch zwei Hauptziele. Zum einen mußten wir die Abgeordneten sicher ins Parlament bekommen, und andererseits galt es, Übergriffe auf die Bannmeile zu verhindern. Beides ist uns auch gelungen. Ich habe kein Verständnis für die Parlamentarier, die ohne Polizeibegleitung in Einzelkämpfermanier durch die Blockaden wollten. Wir hatten alle vorher hinreichend informiert. Und auch die Verletzungen einiger Polizeibeamten darf man nicht an die große Glocke hängen. Da gab's nur ein paar Prellungen...

Der Gottesdienst in der Bannmeile verlief friedlich, aber es ist immer noch kein leichtes Spiel, in der Schutzzone um das Parlament gewaltfrei zu protestieren. Entspricht der Straftatbestand des Bannmeilenverstoßes ihren Vorstellungen von Demokratie?

Ich bin schon immer für die Abschaffung dieses Verbotes eingetreten. Friedliche Demonstrationen in Reichweite des Bundestages sollten zugelassen sein. Vor allem kann das psychische Befinden eines jeden Abgeordneten doch nicht das geschützte Rechtsgut sein. Dem Auftrag, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlamentes zu gewährleisten, kann die Polizei auch ohne Bannmeilengesetz nachkommen. Bei der heutigen Rechtslage werden friedliche Demonstranten regelrecht ausgesperrt. Das fördert nur die Aggression. Interview: Hasso Suliak