War Irans Geheimdienst Auftraggeber für Mord?

■ Von Stahl: Geheimdienst für Berliner „Mykonos“-Attentat verantwortlich

Karlsruhe (AP/taz) – Der iranische Geheimdienst VEVAK hat nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft das sogenannte „Mykonos“-Attentat in Auftrag gegeben, bei dem im September 1992 in Berlin vier kurdische Oppositionspolitiker aus dem Iran erschossen wurden. Wegen Mordes erhob Generalbundesanwalt Alexander von Stahl gestern Anklage gegen einen iranischen Agenten und zwei Libanesen. Zwei weitere Libanesen müssen sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Alle fünf sind auch des versuchten Mordes angeklagt. Nach drei weiteren Tatbeteiligten wird noch gesucht.

Die nach über einem halben Jahr Ermittlungen nun präsentierte Anklage überrascht vor allem durch den klaren Verweis auf den iranischen Geheimdienst. Ende letzten Jahres hatten Beamte der BKA-Sondergruppe, die nach Berlin geschickt worden waren, sich gegenüber dem Stern noch beschwert, alle ihre Ermittlungen in Richtung offizielle iranische Stellen würden durch Auswärtiges und Kanzleramt schwer behindert.

Bei dem Anschlag in dem Berliner Restaurant „Mykonos“ am 17. September waren der Generalsekretär, der Europavertreter, der Deutschlandvertreter und ein Dolmetscher der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (DPK-I) umgekommen. Seit Jahren kämpfen die Kurden im Iran für mehr Autonomie und Unabhängigkeit. Auch der Vorgänger des in Berlin ermordeten Generalsekretärs, der bekanntere Abdullrahman Gassemluh, wurde in Wien von einem iranischen Killerkommando ermordet. Die Partei ist die größte kurdische Organisation im Iran.

Drahtzieher des Attentats ist nach Überzeugung der Behörden der jetzt angeklagte 34jährige Iraner Kazem Darabi aus Berlin, dem Verfassungsschutz lange als Agent des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK und Angehöriger der islamischen revolutionären Garden „Pasdaran“ bekannt. Er hat den Ermittlungen zufolge vom VEVAK den Auftrag erhalten, die Führer der DPK-I während der Tagung der Sozialistischen Internationale im September 1992 zu ermorden.

Die vor dem Berliner Kammergericht erhobene Anklage legt Darabi zur Last, in Erfüllung seines Mordauftrags zunächst die in Deutschland lebenden Libanesen und ehemaligen Hisbollah-Kämpfer Youssef Amin (25 Jahre alt) und Abbas Rhayel (Jahrgang 1967) angeworben zu haben, die nun auch des Mordes und Mordversuchs angeklagt sind. Ebenfalls angeheuert habe er den Libanesen und ehemaligen Amal-Milizionär Atallah Ayad (Jahrgang 1966), der sich wegen Beihilfe zum vierfachen Mord und wegen versuchten Mordes verantworten muß. Nachdem man Kenntnis von den Vorhaben der DPK-I-Delegation in Berlin erlangt hatte, arbeitete Ayad der Anklage zufolge einen Tatplan aus, der später abgeändert wurde.

Am 12. oder 13. September 1992 sollen die späteren Schützen sich in einer Berliner Wohnung Darabis zur Einsatzbesprechung getroffen haben. Zu diesem Zeitpunkt war Darabi dem Berliner Verfassungsschutz vom Kölner Bundesamt lange avisiert worden, wurde aber nicht überwacht, weil das Landesamt angeblich keinen Dolmetscher fand. Diese Unterlassung ist mit dafür verantwortlich, daß die jetzt Angeklagten nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft am 17. September 1992 gegen 22.50 Uhr vier Menschen ermorden und weitere schwer verletzen konnten. JG