Bittere Pille für Apotheken

■ Umsatzeinbußen und erste Kündigungen in Bremer Apotheken nach dem GSG

Den Januar kann man nicht richtig mitzählen, da spielten alle in der Branche verrückt, nachdem das Gesundheits-Reformgesetz (GSG) in Kraft getreten war. ÄrztInnen waren so verunsichert, daß sie kaum noch verschrieben. Um die 40 Prozent Einbußen verzeichneten prompt die Apotheken. Dann sollte sich das einpendeln. Eine taz-Umfrage bei Bremer Apotheken nach fast einem halben Jahr ergab: mitnichten. Und als „nach wie vor dramatisch“ beschreibt Dr. Bethge, Bremer Vorsitzender des Apotheker-Vereins, die Zahlen-Lage: „Im ersten Quartal 1993 haben wir 20-25% weniger umgesetzt, und Einbrüche gibt es auch gegenüber dem Niveau von 1991, das ja die Reform anstreben wollte.“ Und was Bethge anspricht, basiert auf den harten Zahlen, die monatlich vom Zentralcomputer nach den verschiebenen und verkauften Rezepten ausgespuckt werden.

Entsprechend sind die Kommentare aus den Apotheken, und zwar bei kleinen und großen. Von „viel Ärger mit den Leuten und massiven Umsatzeinbußen“ spricht der Apotheker Am Dobben; PatientInnen, lassen ihren Frust über das neue Gesetz in der Apotheke ab: Medikamente nicht bekommen, andere bekommen, weniger bekommen. „Ja sind denn jetzt die Sachen gegen Cholesterin und Blutdruck alle nicht mehr nötig?“ Sogar die noble Raths Apotheke am Markt hat 20% Umsatz verloren, was auch für einen gutgehenden Betrieb eine Menge Verlust ist — weil die Kosten an Miete, studiertem Personal und Lagerhaltung ja weiterlaufen, ist der Gewinnverlust noch höher als die Umsatzeinbuße. Der Chef der Raths-Apotheke erklärt: „Plötzlich werden wieder ältere Medikamente verschrieben, die mehr Nebenwirkungen haben als moderne, weil sie billiger sind. Die Patienten merken meist gar nicht, was auf sie zukommt.“ In der Raths-Apotheke will man nicht aktiv Personal abbauen, aber Ausscheidende vorerst nicht ersetzen. In der Apotheke im Roland- Center, so denken viele Konkurrenten aus der Innenstadt, ist massenhaft Laufkundschaft und außerdem ein lukrativer Kosmetik- Nebenwerwerb, der vom GSG nicht berührt wird. Auch der Roland-Chef spricht aber von „Katastrophe“ und vom „verheerenden April-Ergebnis“. 30% hat er eingebüßt: „Diesen Beruf kann man keinem Menschen mehr empfehlen.“ Anders als früher könne man heute „mit Leichtigkeit 10 Apotheker auf einmal“ zur Anstellung kriegen.

Bei Dr. Ukrich Bethge, der im Apotheker-Verein „als Wirtschafts-Verband der Apotheken- Leiter“ einen Überblick über rund 190 Mitglieder im Lande Bremen hat, sind abstruse Dinge seit dem GSG bekannnt geworden: In einer Arztpraxis wurde, um Verschreibungen zu sparen, Medikamente verteilt, die zu allem Übel auch noch übers Verfalls-Datum hinaus waren. Ein Einzelfall, der aber ein Licht wirft. Bethge kennt einige Apotheken, die Kurzarbeit eingeführt oder Änderungskündigungen ausgesprochen haben. Daß man bei Medikamenten mit gleichen Inhaltsstoffen ruhig und immer das billigere nehmen könne, findet Bethge nicht: Sicher kann man viel sparen. Aber je nach Herstellungs-Technik werden die Wirkstoffe sofort oder langsam in 5 Stunden frei. Bei eingestellten Patienten kann das böse Überraschungen geben.“

Dr. Klämbt von der Kammer weiß, daß Ende März mehrere Apotheken Kündigungen ausgesprochen haben. Betroffen sind die Apotheken ganz unterschiedlich, ja nachdem, wie eingeschüchtert oder verschreibefreudig „ihr Arzt“ in der Nähe ist. Klämbt: „Das kann Pech sein und eine Apotheke ganz hart treffen!“ S.P.