Bremen nicht gefeit

■ Gespräch mit Martin Thomas (Die Grünen)

taz: Könnte die Polizei mehr für den Schutz ausländischer BürgerInnen tun?

Martin Thomas: Ich seh' nur die Chance, daß diese Gesellschaft sich offensiv dazu bekennt, daß hier verschiedene Nationalitäten zusammenleben, die auch Rechte haben. Wir Deutschen sind was Besseres, diese Haltung ist ganz tief drin.

In Bremen ist bis jetzt noch nichts wie in Mölln oder Solingen passiert — ist Bremen gefeit?

Bremen ist traditionell eine liberale und weltoffene Stadt. Aber daraus für die Zukunft den Schluß zu ziehen, daß wir gefeit sind, halte ich für leichtsinnig. Zumal die Stimmung in der Bevölkerung damit verbunden ist, was in der Sozialpolitik passiert.

Die Wende zur Zwei-Drittel- Gesellschaft also. Auch im Bremer Haushalt wird gekürzt, zum Beispiel bei sozialen Projekten ...

Die Politik, auch der Ampelsenat, hat noch nicht begriffen, welche Bedeutung Jugendpolitik für die Stabilität einer Gesellschaft hat. Wenn 15 bis 18jährige beruflich keine Perspektive haben und dann noch ihre Fanprojekte oder ihre Badeanstalt geschlossen werden, wo sie sich treffen, wenn ihnen also die wenigen Möglichkeiten, die sie noch haben für eine Sinnfindung, genommen werden, dann geben die die Wut über ihre eigene Perspektivlosigkeit an die noch Schwächeren weiter.

Trotzdem: Könnte nicht auch die Polizei noch mehr tun für den Schutz der ausländischen BürgerInnen, zum Beispiel mit einem Notruftelefon mit türkischem Ansprechpartner?

Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bürgern ist insgesamt noch sehr schwach entwickelt, vor allem auch die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Beiräten. Aber der erste Schritt kann nicht sein, nach der Polizei zu rufen. Der Schutz muß eher durch nachbarschaftliches Verhalten hergestellt werden.

Aus Solingen hört man ja jetzt, daß schon lange Zeit sich rechte Jugendliche direkt gegenüber dem Haus trafen — hätte da die Polizei nicht längst einen Blick drauf haben sollen?

Eher kommt doch der Vorwurf, daß Polizei Jugendliche viel zu sehr kriminalisiert. Ich würde umgekehrt sagen, die Gesellschaft ist mehr gefordert, darauf zu achten, wo sich ausländerfeindliche Stimmungen ausbreiten.

Könnten Beiräte diesen Diskussionsprozeß fördern?

Zumindest sollte Ausländerfeindlichkeit im Stadtteil ständiges Thema im Beirat sein. Und die Bürger müßten dazu aufgefordert werden, sich an die Beiräte zu wenden, ehe sie zur Polizei gehen und sagen, bei uns gibt es so eine Jugendgruppe. Sie sollen sich ja nicht als Spitzel verhalten. Die Polizei ist erst gefragt, wenn es Anzeichen für einen drohenden Übergriff gibt. Gespräch:cis