„Heiligtümer befreien“

■ Libyer in Jerusalem sorgen für Eklat

Tel Aviv (taz) – Die Reise von knapp 200 moslemischen Pilgern aus Libyen zu den heiligen Stätten in Ostjerusalem, die am Wochenende Spekulationen über eine Aufnahme libysch-israelischer diplomatischer Beziehungen ausgelöst hatte, mündete gestern in einen politischen Eklat. Auf einer Pressekonferenz in Jerusalem riefen die Libyer gestern zu einer Befreiung der islamischen Heiligen Stätten von der israelischen Herrschaft auf. Außerdem müsse auch die saudische Kontrolle über Mekka beendet werden. Der israelische Tourismusminister, Uzi Baram (Arbeitspartei), der die Gruppe am Montag an der ägyptisch-israelischen Grenze empfangen hatte, brach daraufhin alle Kontakte zu den Libyern ab.

Es ist die erste Pilgerreise von Libyen nach Israel, seit die israelische Armee 1967 unter anderem Ost-Jerusalem besetzte, wo sich nach Mekka und Medina die dritthöchsten islamischen Heiligtümer befinden. Die sensationelle Pilgerfahrt war vom libyschen Präsidenten Muammar Gaddafi bewilligt worden. Politische Beobachter gingen davon aus, daß Gaddafi damit zur Verbesserung der Beziehungen zu den USA beitragen wolle. Gegen Libyen hatte die UNO im April 1992 ein Luftverkehrs- und Waffenembargo verhängt, um die Regierung zur Auslieferung der beiden Lockerbie- Verdächtigten zu zwingen. Das Embargo hat zur Folge, daß die Pilger nicht, wie üblich, zu den heiligen Stätten in Saudi-Arabien reisen können. Der israelische Multimillionär Yakov Nimrodi, früher israelischer Militärattaché beim Schah im Iran und später in Waffengeschäften mit dem Iran tätig, und der saudische Multimillionär und Waffenhändler Adnan Kaschoggi waren die Mittelsmänner des Unternehmens. Am Montag hatte Nimrodi mitgeteilt, daß Gaddafi Israel voraussichtlich noch vor Jahresende anerkennen und besuchen werde. Nach Aussage jüdischer Kreise libyscher Herkunft in Israel, den USA und Europa sollte noch im Sommer ein Gegenbesuch dreier jüdischen Delegationen in Libyen stattfinden.

Offizielle Kreise in Israel hofften zunächst, daß diese erste moslemische Pilgerreise ähnliche Kontakte mit anderen arabischen Staaten auslösen werde, die wie Libyen keine diplomatischen Beziehungen mit Israel haben. Die israelische Regierung wollte natürlich demonstrieren, daß alle Moslems der Welt Zutritt zu den islamischen heiligen Stätten unter ihrer Kontrolle haben. Amos Wollin