Hupen, Schreien und Fenstereinschlagen

■ Jugendliche machten ihrer Wut Luft/ PolitikerInnen fordern Streetworker und Wahlrecht

Trotz der Ablehnung von Gewalt haben viele Bremer TürkInnen mit Verständnis auf die wütenden Aktionen junger Türken am Sonntag und Montag in Syke und Bremen reagiert. Wie sonst sollen die Jugendlichen reagieren als durch Hupen und Schreien, fragen sie, die Türken könnten schließlich nicht ihren Abgeordneten ansprechen.

Rund 200 junge Türken hatten am Montag gegen Mitternacht in der Bremer Innenstadt ihrer Wut über die Morde in Solingen Luft gemacht. Mit etwa 50 Fahrzeugen fuhren sie, rote Ampeln mißachtend, zum Hauptbahnhof. Auf dem Weg dorthin schlugen sie einen Autofahrer, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte, mit Baseballschlägern und griffen vor dem Hauptbahnhof Polizisten an.

Angefangen hatte alles in Syke: Dort hatte am Sonntag ein aus Weimar zugezogener Skinhead aus seiner Wohnung auf ein vorbeifahrendes Auto mit türkischen Insassen eine Bierflasche geworfen, berichtet Sykes stellvertretender Revierleiter Wilhelm Greve. In der Folge zogen am Sonntag rund 50 und am Montag 200 überwiegend junge Türken aus dem norddeutschen Raum vor das Haus.

Die Rechtsradikalen fügten sich einer polizeilichen Zwangsandrohung und räumten die Wohnung. Auch am Montag, als sie sich erneut versammelten, verließen sie die Wohnung, bevor die erregte Menge der Türken das Haus erreichte.

Andrea Müller vom Lidice- Haus wundert sich nicht über diesen Ausbruch von Wut und Angst bei türkischen Jugendlichen. Zumal jetzt, nach der Änderung des Asylgesetzes und nachdem die Deutschen so schnell über Mölln hinweggegangen seien. Außerdem seien viele türkische Jugendliche noch desorientierter als ihre deutschen Altersgenossen. „Die jungen Leute sind uns entglitten“, bestätigt der türkische Honorargeneralkonsul Karl Grabbe. Er fordert Streetworker, die mit jenen „Halbstarken“ arbeiten, die durch Jugendheime nicht gebunden sind.

Die Ausländerbeauftragte des Landes Bremen, Dagmar Lill, fordert den Senat auf, Bürgerhäuser und die Jugend-und Sozialarbeit besser zu unterstützen, außerdem müsse endlich die doppelte das kommunale Wahlrecht zu ermöglicht werden. Innensenator van Nispen kündigte an, die polizeiliche Streifentätigkeit in Wohngebieten mit besonders vielen ausländischen MitbürgerInnen zu verstärken. Er und Senatorin Trüpel sprechen sich für die unverzügliche Wiederaufnahme des türkischen Hörfunkprogramms bei Radio Bremen aus.

cis