Sonderbare Pilgerfahrt der Libyer nach Jerusalem

■ Von der Reise wollten Politiker Israels und Libyens profitieren – und hatten Pech

Tel Aviv (taz) – Mit der vorzeitigen Abreise der 192 moslemischen Pilger in ihre libysche Heimat endete am Mittwoch ein fast surrealistisches Happening, in dessen Mittelpunkt Jerusalem stand.

Die libysche Pilgergruppe mit Dau Tajouri, einem Beamten des libyschen Presseamts, an der Spitze war bei ihrer Ankunft am Montag vom israelischen Minister für Tourismus, Uzi Baram (Arbeitspartei), persönlich begrüßt worden. Das sensationelle Ereignis – der erste Besuch einer libysch-moslemischen Pilgerdelegation in der israelischen Hauptstadt wurde zum Medienspektakel. Von einem wichtigen politischen und propagandistischen Durchbruch für Israel war da die Rede. Sogleich fanden sich auch einige Väter dieses Erfolges, die es eilig hatten, öffentliches Lob für ihre patriotischen Dienste zu fordern. Der einflußreiche Großhändler und Medienunternehmer Jakov Nimrodi erklärte, er habe die Pilgerfahrt mit den Beratern Muammar Gaddafis arrangiert und mit Hilfe seiner internationalen Pilgerreisegesellschaft Ziyara organisiert. Der libysche Präsident stehe kurz vor der Anerkennung Israels, und sein Besuch in Jerusalem sei noch vor Jahresende zu erwarten, verkündete Nimrodi.

Die sonderbare Pilgerfahrt nach Jerusalem – die, wie es zunächst in Libyen hieß, angeblich ohne Gaddafis Wissen stattfand und eigentlich nur zustande kam, weil Saudi- Arabien den Libyern den Flug nach Mekka nicht bewilligen wollte – rief eine Reihe politischer Erklärungen in Israel und ärgerliche Reaktionen von arabischer und vor allem palästinensischer Seite hervor. Daraufhin bliesen die libyschen Behörden die Aktion ab.

Allem Anschein nach wurden die Leiter der libyschen Pilgergruppe am Dienstag aus Tripoli beauftragt, eine Pressekonferenz einzuberufen, bei der sie die Moslems der ganzen Welt aufriefen, Jerusalem zu befreien. Die nach Israel eingewanderten Juden sollten in ihre Ursprungsländer zurückkehren, und die palästinensischen Flüchtlinge müßten in ihre Heimat zurückkehren können, wo ein palästinensischer Staat für Juden und Araber entstehen solle. Delegationsleiter Dau Tajouri betonte, daß die Reise der libyschen Pilgergruppe nach Israel der islamischen Welt zeigen sollte, daß man ihnen die Einreise nach Mekka und Medina nicht gestattet hat. Aus Saudi- Arabien wurde dies dementiert: man habe lediglich die Einreise der Libyer über den Flughafen nicht bewilligt, weil dies den von der UNO beschlossenen Boykott Libyens verletzt hätte.

Nach der Pressekonferenz schlug die überschwengliche israelische Gastfreundschaft in Haßtiraden um. Knessetmitglieder verlangten die sofortige Ausweisung der Libyer. Das Außenministerium versuchte einzulenken: Man hätte sich eben von Anfang an vor Gaddafi hüten sollen, hieß es dort. Die libysche Regierung machte Vize-Außenminister Jossi Beilin für das Fiasko mitverantwortlich, weil er Libyen als „Paria-Staat“ bezeichnet hatte. Beilin hat inzwischen erklärt, der libysche Besuch sei nur dank Israels Politik der Religionsfreiheit zustande gekommen und Israel hätte daran keinerlei diplomatische Erwartungen geknüpft. Er wies die Deportationsforderungen der rechten Oppositionsparteien zurück.

Auch Jakov Nimrodi, dessen Reisegesellschaft den Trip nach Jerusalem angeblich mit einer 300.000-Dollar-Garantie unterstützt hat, machte Beilin und seine öffentliche Kritik an Libyen, die in Tripoli als Beleidigung empfunden worden sei, für das Mißglücken des Unternehmens verantwortlich. Im Außenministerium behauptete man hingegen, die libysche Presseerklärung in Jerusalem sei von Anfang an als Teil des Besuches geplant gewesen. Andere schoben die Schuld auf die Palästinenser, die gegen die Pilgerfahrt protestiert hatten, die sie insbesondere angesichts der gegenwärtigen Sperrung der besetzten Gebiete als Brüskierung durch ein arabisches „Bruderland“ betrachteten. Seit der „Abtrennung“ Ost-Jerusalems von der Westbank ist es gerade ihnen nur noch ausnahmsweise, mit Spezialgenehmigung und in organisierten Gruppenreisen per Autobus möglich, zu den islamischen heiligen Städten in Ost-Jerusalem zu gelangen.

Was verbirgt sich hinter dieser Komödie? Der libysche Präsident hatte wohl die Absicht, mit Hilfe Israels einen vorsichtigen indirekten Annäherungsversuch an Washington zu machen, um den internationalen Boykott zu brechen. Libyen hatte den großangelegten amtlichen Empfang der Pilger – „als seien sie Neueinwanderer“, schrieb ein israelischer Kommentator – wohl weder beabsichtigt noch einkalkuliert. Es fühlte sich vor den Kopf gestoßen durch halbamtliche Erklärungen über den „historischen Besuch, der de facto libysche Anerkennung des Staates Israel bedeutet“, und andererseits durch beleidigende Angriffe anderer israelischer Sprecher. Dazu kam dann die laute arabische Kritik an Gaddafis Schritt. Schließlich fühlte sich der libysche Präsident gezwungen, öffentlich zu reagieren.

Mitverantwortlich für das Fiasko sind allerdings auch die israelischen Mittelsmänner und Partner, die sich nun gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, nachdem sie keinen politischen Nutzen aus der Angelegenheit ziehen konnten. Amos Wollin