Anonymer Rat in Sekundenschnelle

■ Eine Datenbank speichert alle Infos zum Thema Aids

Kaum jemand ist heute noch in der Lage, die Flut an Informationen über Aids im Auge zu behalten. Dafür gibt es HIVNET – ein Computernetzwerk mit Daten zu allen Bereichen, die HIV und Aids betreffen, versorgt seit 1990 von Amsterdam und Limburg aus niederländische Interessierte mit aktuellsten Informationen. Inzwischen gibt es HIVNET auch in Lissabon, Paris und London. Auf der Welt-Aids-Konferenz wird das Netzwerk auch in Berlin vorgestellt, um es bald einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Nach dem Vorbild amerikanischer Bulletin-Boards und in Zusammenarbeit mit ihnen, aktualisiert HIVNET täglich seinen Speicher mit Infos aus aller Welt. Fünf MitarbeiterInnen sind in den Niederlanden damit beschäftigt, sie zu sammeln, zu sortieren und so zu archivieren, daß sie leicht zugänglich sind. 500 Seiten werden jede Nacht alleine aus den USA gesendet; hinzu kommt die Auswertung von etwa 30 Magazinen. HIVNET ist außerdem an Presseagenturen gekoppelt, die ihrerseits Artikel bereits vor deren Veröffentlichung senden. Finanziert wird das Netzwerk von der HIV-Vereinigung Niederlande, dem Aids-Fonds, der Europäischen Gemeinschaft sowie der Universität Amsterdam.

„Kenntnis ist Macht, und wir sorgen für die Demokratisierung der Macht“, erklärt Mitarbeiter Tjerk Zweers die Bedeutung des Netzwerks. Rund 1.200 NiederländerInnen nutzen es regelmäßig – Infizierte, WissenschaftlerInnen, Organisationen, ÄrztInnen. In einem Schlagwortregister ist jede Information in Sekundenschnelle zugänglich. So melden sich immer mehr ÄrztInnen auf der Suche nach Behandlungsmethoden und Wirkungen von Medikamenten. „Beim derzeitigen Stand der Forschung ist es einem Arzt kaum noch möglich, seine Patienten ohne fremde Hilfe zu informieren“, sagt Mitarbeiter Jan Langenberg. „Bei uns sind Informationen über AZT (Azidothymidin) oder neueste Behandlungsergebnisse und Erfahrungsergebnisse von Infizierten sofort griffbereit.“ Neben dem enormen Archiv, das über die Schlagworte „Frauen und Aids“ oder „Drogen und Aids“ ebenso Auskunft gibt wie über die Haitianische Aids-Politik, den französischen Blutkonservenskandal (siehe obiger Text) oder einen neuen Vaccin-Test in Schweden, bietet HIVNET auch die Möglichkeit persönlicher Kommunikation.

„Ich habe einen Jungen kennengelernt, mit ihm safe gevögelt. Ich bin in ihn verliebt. Muß ich ihm jetzt sagen, daß ich positiv bin? “ fragt etwa Frank E. (Name geändert). Alle an das Netz angeschlossenen NutzerInnen haben so die Möglichkeit, zu antworten. Einer tut es: „Hallo Frank, ich habe dieses Problem auch immer. Denke aber, daß es auf jeden Fall besser ist, es zu sagen. Ruud.“

Etwa 200 persönliche Botschaften gehen jeden Monat über HIVNET; rund 25 Infizierte bitten wöchentlich um Rat. Auch ÄrztInnen antworten auf Fragen von Infizierten und Kranken. Die können zudem offen miteinander in Kontakt treten, ohne sich tatsächlich zu offenbaren. Wer sich nicht namentlich speichern lassen will, nutzt das System mit einem Spitznamen. „HIVNET ersetzt sicher nicht das Telefon oder gute Freunde“, so Jan Langenberg, „aber es eröffnet eine weitere Möglichkeit, aus der oft quälenden Anonymität herauszutreten.“ Benutzen kann das Netzwerk, wer über ein Modem verfügt – kostenfrei. Jeannette Goddar, Amsterdam

Nähere Informationen über HIVNET unter 030-4 542 974/ Modem-BesitzerInnen unter 030-4 542 605