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„Gegen Tunnelwahn und Autobahn“

■ Über 2.000 Radler nahmen gestern am Korso gegen den Innenstadtring teil

Für den Eisverkäufer am S-Bahnhof Treptower Park war der gestrige Sonntag der wahrscheinlich erfolgreichste Tag des Sommers. Über hundert Fahrradfahrer, Radrennsportler mit High- Tech-Ausrüstung, Sonntagsfahrer, Kinder und Tandemfahrer, warteten hier – meist eisschleckend – auf den verspäteten Korso aus Rudow. Rund zweitausend Velo-Fans lockte die 17. Berliner Fahrradsternfahrt auf die Straße. Von elf Punkten in ganz Berlin starteten Radfahrer, um sich schließlich auf dem Innenstadtring (Dimitroffstraße; Invalidenstraße; Entlastungsstraße; Skalitzer Straße; Warschauer Straße) zu treffen und diesen für den Autoverkehr lahmzulegen.

Einige Autofahrer konnten sich denn auch nicht beherrschen und beschimpften die Pedalisten als „Chaoten“ und „Nichtstuer“. Bereits zum zweiten Mal organisierten die „Grünen Radler“ diese Tour zusammen mit dem „Bündnis Innenstadtring“, einem Zusammenschluß von rund 50 Initiativen. Demonstriert wurde gegen die Verkehrspolitik des Berliner Senats.

Die Untertunnelung des Tiergartens und der Ausbau des Innenstadtrings führt nach Ansicht der Organisatoren zwangsläufig zu einer unverantwortlichen Zunahme des Straßenverkehrs. Deshalb fordern sie einen Stufenplan zur Bevorzugung von Fußgänger-, Fahrrad- und öffentlichem Nahverkehr, ein Konzept zur Heraushaltung des privaten Kfz-Verkehrs aus dem Innenstadtbereich und die Erarbeitung von umweltverträglichen Mindeststandards für die Stadt.

Um im nächsten Jahr noch mehr Radfahrer am Umwelttag auf die Straße zu locken, soll die Sternfahrt mit der des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) koordiniert werden. Damit will man die angepeilte lückenlose Belegung des Rings durch die Stahlrosse zumindest im nächsten Jahr erreichen.

Das schwüle und drückende Wetter führte schließlich viele Teilnehmer zu einem der acht Straßenfeste, die rund um die Strecke organisiert waren. Wer es im Sattel nicht mehr aushielt, konnte sich beispielsweise an der Oberbaumbrücke in Kreuzberg ausruhen und wurde zur Entspannung sogar noch mit Musik der Gruppe „IG-Blech“ verwöhnt. Am Gleisdreieck wurde gleichzeitig der „Naturpark“ symbolisch eröffnet, und im Bezirk Tiergarten fand ein Umweltmarkt statt. Jörg Welke

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