„Militärische Intervention: Männerantwort auf Männerkrieg“

■ Nationalismus und Gewalt gegen Frauen / Die kroatische Feministin Biljana Kasic: „Opposition bezieht sich nicht nur auf den Krieg“

Im Krieg verschwinden Frauen meist völlig von der politischen Bildfläche. Doch Frauenwiderstand ist kein Novum dieser Zeit — und manche wurden und werden damit den herrschenden Strukturen gefährlich. Rosa Luxemburg wurde nach jahrelangen Aktivitäten just in dem Moment ermordet, in dem ihr Widerstand die Grenze der Toleranz überschritten hatte.

„Ich glaube, daß auch einige von uns diese Toleranzgrenze überschritten haben“, sagt Biljana Kasic, eine von vielen in Zagreb aktiven kroatischen und bosnischen Feministinnen. Sie war am Wochenende zur Tagung „Nationalismus und Gewalt gegen Frauen“ der Bremer Frauenwoche angereist. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte, Mitarbeiterin im autonomen Frauenhaus Zagreb und Mitgründerin der „Zagreber Frauenlobby“, ist eine der feministischen Aktivistinnen, die den politischen Diskurs über die caritative und humanitäre Hilfe für die Opfer des Krieges in Ex-Jugoslawien nicht vergessen wollen. Eine Hilfe, die viele als eine Art zivilen Kriegsdienst sehen.

Viele verschiedene Frauengruppen leisten konkrete Hilfe in Zagreb, 30 Kilometer von der nächsten Front in Bosnien entfernt. Und sie denken nicht an eine Verweigerung — denn sie leisten sie für Frauen, die Opfer dieses Krieges. Und das sind Frauen nicht nur, wenn sie vergewaltigt und vertrieben, ihre Familien ermordet wurden. „Die alltägliche Gewalt gegen Frauen, auch in der Familie, hat seit Kriegsanfang immens zugenommen“, sagt Biljana Kasic - „die Gewalt hat eine neue, militärische Form angenommen.“ Und so sehr die Feministin es eine „lächerliche Illusion“ findet, daß Frauen Einfluß auf diesen Krieg nehmen könnten, so sehr kämpft sie um „die Bewahrung einer zivilen Gesellschaft“.

Feminismus heißt gleich Anti- Nationalismus, darin sind sich Feministinnen aus Deutschland und Biljana Kasic einig. Doch im feministischen Spektrum in Zagreb gibt es Differenzen in der politischen Analyse eines Krieges, der extrem nationalistisch geprägt ist. Können Frauen im Krieg überhaupt politisch tätig sein? Wie gehen sie mit Nationalismus und Patriotismus um?

Die Massen-Vergewaltigungen, laut Biljana Kasic die „Exotik dieses Krieges“, würden „als Chiffre genutzt, um den Feind in diesem Krieg zu definieren — um zu zeigen, welche nationale Volksgruppe dem Genozid mehr ausgesetzt ist.“ Damit verschiebe sich diese Form der Gewalt: Sie wird nurmehr im Rahmen 'Nationalismus-Krieg' betrachtet und fällt aus dem Konflikt 'Frauen-Männer' heraus. „Wir wollen versuchen, den feministischen Zugang zum Thema Vergewaltigung zu bewahren“, so Biljana Kasic, und das heißt: „Wir wollen die vergewaltigten Frauen auf keinen Fall benutzen — wie es durch die Medien geschehen ist.“

Im Zagreber Projekt „Frauen — Opfer des Krieges“, in dem Biljana Kasic mitarbeitet, geht es manchmal zu wie auf einem Durchgangsbahnhof. Geflüchtete Frauen kommen — übrigens oft nicht als hysterisches Wrack, sondern mit einer Lebenseinstellung, die Biljana „Lebenshumor“ nennt — sie bekommen Hilfe, sie gehen wieder, es kommen neue. Die Helferinnen kostet das viel Kraft. Aber die eigentliche Energieverschwendung ist für Biljana Kasic das ständige Antworten auf die Frage 'Militärische Intervention — ja oder nein'. Ihre Antwort: „Eine militärische Intervention ist eine männliche Antwort auf einen Männerkrieg“. Auch, wenn Frauen sie fordern, um Frauen zu schützen — „das ist eine Falle. Wir müssen die grundlegenden Prinzipien des Lebens verteidigen. Und Opposition bezieht sich nicht immer nur auf den Krieg.“

Von den Feministinnen aus Deutschland wünscht Biljana Kasic sich mehr Bewußtsein über die gemeinsame Verantwortung: „Wir müssen die Frauen dazu trainieren, zu überleben und ein neues Leben zu führen. Und ich möchte über die Frauen nicht nur als Opfer denken: Sie alle sind eigenständige Menschen, sie haben unterschiedliche Meinungen und Ideen.“ Für gemeinsame Aktivitäten wünscht sich Biljana Kasic in diverser Hinsicht offene Grenzen — „denn es geht um das feministische Prinzip und ein Recht auf eine alternative Gesellschaft.“ Susanne Kaiser

Das seit 1990 bestehende Autonome Frauenhaus in Zagreb (AZKZ) ist voll wie nie: Doch jetzt hat es einen Räumungsbefehl erhalten. Die Zagreber Frauen, die dagegen einen Prozeß führen und ein Haus kaufen wollen, bitten um Solidarität und Hilfe.

Spendenkonto des AZKZ: Creditanstalt Graz, Herrengasse, Kto.Nr. 0882-23714/00, BLZ 11870