Auge um Auge, Zahn um Zahn ...

■ Türkische Jugendliche stürmten Kneipe auf der Suche nach Nazis

Bremen (taz) –In einer „Blitzaktion“ haben etwa 30 türkische Jugendliche gestern nacht das Restaurant „Journal“ in Schwanewede gestürmt. Nach Angaben der Polizei verprügelten sie Gäste, schlugen Fensterscheiben ein und beschädigten sieben geparkte Autos. So schnell wie sie gekommen waren, zogen die Randalierer wieder ab; die Polizei fing viele von ihnen auf der Rückfahrt nach Bremen ab und stellte Baseballschläger und Messer sicher. Bilanz der Aktion: 20.000 Mark Sachschaden und „Racheschwüre“ von rechten Jugendlichen in Schwanewede.

Anlaß für den Überfall auf die Kneipe war nach Polizeiangaben das Gerücht, daß sich im „Journal“ Nazis versammelten. Die Kneipe sei jedoch weder als Treffpunkt der Rechten bekannt, noch habe es eine rechte Veranstaltung an diesem Abend gegeben. Eine Erklärung für die explosive Lage sieht Andrea Müller vom Lidice-Haus darin, daß im Moment jeder gegen jeden kämpfe. „Alle fühlen sich aufgerufen, irgendwas zu tun. Die Cliquen sind sehr aggressiv, und das wird weiter eskalieren.“

Seit den Solinger Morden haben türkische Jugendliche in Bremen schon mehrere Male ihrer Wut mit Gewalt Luft gemacht. Es häufen sich Meldungen über nächtliche Randale ohne ersichtlichen Grund. Derya Mutlu, türkischer Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt, weist auf die geladene Atmosphäre unter jungen Türken hin: „Es fliegen Gerüchte durch die Luft, und dann geht es ohne Prüfung der Wahrheit los mit der Gewalt. Samstag abend bei den Krawallen an der Eduard-Grunow-Straße hieß es, nach dem Fußballspiel in Stuttgart seien vier Türken verbrannt worden. Die Situation ist so gereizt, daß viele Jugendliche die Schnauze voll haben und meinen, sich mit Gewalt wehren zu müssen.“ Mutlu warnt vor einer pauschalen Verurteilung der türkischen Jugendlichen. „Es ist falsch zu sagen: die Türken rasten jetzt aus. Aber es ist schwierig, mit den Appellen zur Gewaltlosigkeit alle zu erreichen.“ Bernhard Pötter