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Warten, fliegen, wieder warten

■ Die sieben D 2-Astronauten waren zu Besuch bei Erno in Bremen

Gewartet haben diese sieben Männer wirklich genug in ihrem bisherigen Leben. Erst haben sie jahrelang auf ihren Flug mit der Raumfähre „Columbia“ für die D2-Mission gewartet. Dann, in der Erdumlaufbahn, haben sie ihre Instrumente gewartet. Jetzt warten sie auf ihren nächsten Flug ins All. Und gestern mußten die zwei deutschen und fünf amerikanischen Astronauten in Bremen erst die langatmigen Erklärungen der D2-Projektleiter abwarten, ehe sie von ihrem Abenteuer erzählen konnten.

Eingeladen hatte die ERNO- Raumfahrttechnik, die einen großen Teil des Spacelabs gebaut hatte. In diesem Labor hatten die Wissenschaftler vom 26.April bis 6.Mai gearbeitet. Der Kommandeur der Raumfähre, Steven Nagel, bedankte sich bei den Mitarbietern der ERNO für die gute Arbeit bei der Herstellung der Meßinstrumente und Inneneinrichtungen: „Ihre Arbeit ließ uns gut aussehen.“ Hans-Wilhelm Usedom von der ERNO stellte die Zuhörer dann auf eine harte Geduldsprobe, als er die allerkleinsten Details der Vorbereitung bei der D2-Mission in epischer Länge und Breite vortrug. Doch die Raumflieger sind das Warten ja gewöhnt: fünf Jahre haben sich die beiden deutschen Astronauten, Wilhelm Schlegel und Ulrich Walter auf den zehntägigen Flug vorbereitet. Nach der Rückkehr verbringen sie jetzt ihre Zeit mit dem Auswerten der gesammelten Daten - oder mit Stillsitzen und Zuhören.

Und so sitzen die sieben Astronauten in Straßenanzügen am Tisch (Raumanzüge stehen ihnen besser, das sehen wir auf den Fotos), nippen am Mineralwasser und lauschen Hans-Wilhelm Usedom. Ungemein erfolgreich sei die Mission gewesen, sagt er, und zählt jedes einzelne ERNO-Instrument auf. „Raumfahrt tut not“ ist die Devise aller Projektleiter und Astronauten, und sie nützt uns hier unten bei der medizinischen Forschung. Die Raumfahrer betonen das so, weil das Bundesforschungsministerium die Mittel für die deutsche Raumfahrt zusammengestrichen hat. 770 Millionen Mark hat D2 in sieben Jahren gekostet — pro Kopf in der BRD gerade mal „eine Tafel Schokolade jährlich.“

Die Film- und Diashow bietet beeindruckende Bilder von Sonnenuntergängen, Vulkanausbrüchen, Waldbränden und Gewitterwolken. Neben der Erdbeobachtung haben die Astronauten 90 Experimente aus der Biologie, Medizin oder Materialwissenschaft erfolgreich abgeschlossen, einen „Rekordflug“ nennen sie ihre Anstrengung. Und der Flug im Orbit erweitert den Horizont: „Am meisten hat mich erstaunt, daß man von oben keine Staatsgrenzen sieht“, sagt Ulrich Walter aus der Sicht eines Normalsterblichen, der die Welt aus dem Schulatlas kennt. „Aber meine Lebenseinstellung habe ich nicht geändert. Ich wähle die gleiche Partei wie vorher.“

„Es ist eine Erde, ein Land. Was uns trennt, ist die Unfähigkeit zur Kooperation,“ sagt Bernard Harris. Er war der Arzt an Bord der „Columbia“ und zapfte neben anderen Experimenten jedem Kollegen während des Fluges fast einen Liter Blut ab. Die endgültigen Resultate wird es erst in zwei Jahren geben, sagt er. Harris bleibt Astronaut: nach seinem Flug muß er sich bei der Warteschlange der NASA wieder hinten anstellen und wird wohl in einem Jahr wieder fliegen: „Raumfliegen macht ein bißchen süchtig.“ Bernhard Pötter

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