Mit Öl die Staatsbilanz vergolden

Argentiniens Präsident Menem will den größten Staatskonzern, das Mineralöl-Unternehmen YPF privatisieren, und mit den Erlösen für die Staatskasse seine Macht sichern  ■ Aus Buenos Aires Astrid Prange

Als Krisenmanager in die Geschichte einzugehen, reicht ihm nicht. Argentiniens Präsident Carlos Menem will mehr. Der 62jährige heischt für 1995 nach dem Triumph der Wiederwahl – die nach der argentinischen Verfassung nicht vorgesehen ist.

Dabei soll Menem die Privatisierung des größten argentinischen Staatskonzerns, „Yacimientos Petroliferos Fiscales“ (YPF), behilflich sein. Von dem Verkauf des Mineralölkonzerns verspricht sich der argentinische Präsident Einnahmen in Höhe von sechs bis sieben Milliarden Dollar für den Staatshaushalt. Der in der vergangenen Woche begonnene Verkaufsprozeß soll in zwei Monaten abgeschlossen sein.

Menem hat es eilig, denn spätestens im September werden die Schuldentitel der staatlichen Rentenversicherung, Bonos de Consolidacion (Bocon), fällig. Die argentinische Regierung steht bei ihren Rentnern mit 2,5 Millarden Dollar in der Kreide. Falls sie das Geld nicht bis zu den bevorstehenden Parlamentswahlen am 3. Oktober zusammenbekommt, könnte dies die Mehrheitsverhältnisse zu ihren Ungunsten beeinträchtigen, die von Menem gewünschte Verfassungsänderung könnte scheitern.

Der Mineralölkonzern YPF, für 65 Prozent der Treibstoffproduktion in Argentinien verantwortlich, ist eine der kostbarsten von „Großmutters Juwelen“, wie die Staatsbetriebe in Argentinien genannt werden. Die Firma mit einem Jahresumsatz von vier Milliarden Dollar, davon 256 Millionen Dollar Gewinn, wird bereits seit drei Jahren für den Verkauf getrimmt. Von den ursprünglich 51.000 Angestellten arbeiten heute nur noch 10.600 für das Unternehmen.

Der Verkauf von „Großmutters Juwelen“ hat der argentinischen Regierung in den vergangenen drei Jahren 12,4 Milliarden Dollar, davon 4,8 Milliarden Dollar in Bargeld, den Rest in Schuldentiteln, eingebracht. Die Telefongesellschaft „Entel“, die Fluglinie „Aerolinas Argentinas“, 10.000 Kilometer Bundes- und Landstraßen, Eisenbahnen und Häfen sind bereits in private Hand übergegangen. Mit der radikalen Veräußerung von Omas Erbgut stopfte Wirtschaftsminister Domingo Cavallo bisher erfolgreich die Löcher im argentinischen Staatshaushalt und drosselte somit die Inflation auf monatlich unter einen Prozent.

Für Argentiniens Ex-Präsident Raul Alfonsin, Anführer der größten Oppositionspartei Uniao Civica Radical (UCR), verläuft die Entwicklung zu schnell. Die Regierung müsse erst einmal die groben Unterschiede zwischen der offiziellen YPF-Bilanz und den Angaben im Verkaufsprospekt erklären, fordert der Oppositionsführer. Die UCR befürchtet, daß durch die Privatisierung das staatliche Treibstoffmonopol schlicht durch ein privates Kartell ersetzt wird. Menem würde der Bevölkerung etwas vorgaukeln, wenn er beteuere, die Regierung würde auch nach der Privatisierung noch über das Schicksal von YPF bestimmen.

Laut argentinischer Verfassung dürfen lediglich 58 Prozent der YPF-Aktien veräußert werden. Ein Drittel des Vermögens bleibt in den Händen des Staates, zehn Prozent der Aktien sind für die Arbeiter und Angestellten des Mineralölkonzerns reserviert. In der ersten Verkaufsphase bis Ende Juli sollen 35 Prozent der YPF-Aktien den Besitzer wechseln. Um internationale Investoren anzulocken, hat sich YPF-Direktor Jos Estenssoro auf Werbetour durch die USA, Japan und Europa begeben.

Für Menem ist der Verkauf des Mineralölkonzerns der krönende Abschluß der Privatisierung. Wie Argentinien in Zukunft seine Auslandsschulden bedienen soll, kümmert ihn zur Zeit nicht. Er träumt von Wiederwahl und Wirtschaftswachstum. Sollten die neuen Volksvertreter dem Wunsch Menems nicht nachkommen, will er sie mit dem Druck der Straße gefügig machen: Etwa einen Monat nach den Parlamentswahlen, so Innenminister Gustavo Beliz, werde die Regierung ein Plebiszit über die geplante Verfassungsänderung veranstalten.