KoKo-Schieber will Ostberliner Villa wieder haben

■ Der legendäre Schalck-Untergebene Goldenberg klagt gegen die Bundesrepublik

Berlin (taz) – Das Stückchen Berlin kann sich sehen lassen: 2.544 Quadratmeter, aufs Sorgfältigste gepflegt, bebaut mit einer schmucken Villa samt Schwimmhalle und mehreren Garagen. Das Honecker-Regime beherbergte auf dem Edelgrundstück in der Florastraße 19 im Ostberliner Stadtteil Karow zuletzt ausländische Staatsgäste. PLO-Chef Yassir Arafat etwa, so erinnern sich Nachbarn, habe mehrmals hier logiert, wenn er sich, körperlich abgekämpft, in der Charité routinemäßig untersuchen ließ. Als vormaliges Gästehaus der DDR-Regierung steht die Villa gemäß Einigungsvertrag heute der Bundesrepublik zu, Hausherr ist derzeit der Bonner Bundesfinanzminister.

Doch wie das so ist, im Immobilien-Dschungel Ost, steht jetzt plötzlich der alte Eigentümer vor der Tür und meldet vermeintliche Rechte an: Simon Goldenberg, eine der schillerndsten Figuren aus dem Sumpf um den vormaligen SED-Goldfinger Alexander Schalck-Golodkowski.

In den fünfziger Jahren hatte sich „Monsieur Simon“, wie Goldenberg sich gerne nannte, als hochkarätiger Schwarzmarktschieber der Westberliner Justiz durch eine Flucht in den Ostsektor der Stadt entzogen. Dort habe ihn der Stasi-Offizier und Mielke-Vertraute Hans Fruck, so berichtete Alexander Schalck-Golodkowski im vergangenen Jahr vor dem Münchner Schalck-Ausschuß, „aufgegriffen“ und „von der Straße geholt“. Fortan habe Simon Goldenberg seine Geschäfte „unter dem Schutzschirm des Ministeriums für Staatssicherheit“ betrieben. Seine Ostberliner „Privatfirma“, „Simon Industrievertretungen“, wurde Schalck-Golodkowskis „Kommerzieller Koordinierung“ (KoKo) zugeordnet und machte Millionen mit Zwangsprovisionen. 1976 übersiedelte Goldenberg mit Sack und Pack ins bayerische Rosenheim und schlüpfte zunächst bei dem Rosenheimer Fleischmogul und Strauß- Freund Josef März unter, dessen Firma Marox er in der DDR vertreten hatte. März war es auch, der, ausgestattet mit einer schriftlichen Vollmacht des Ehepaares Goldenberg, im März 1977 bei den Ostberliner Behörden vorsprach und Goldenbergs Umzug managte. Im Namen Goldenbergs gab März am 24. Februar 1977 vor dem Notar Manfred Wünsche förmlich Goldenbergs Verzicht auf die Villa in der Florastraße zu Protokoll.

Heute behauptet Goldenberg, der sein Domizil nach der Wende ohne Zeit zu verlieren von München ins edle Berlin-Dahlem verlegte, sein damaliger Verzicht sei unter Zwang zustande gekommen und daher nichtig. Unbeachtet läßt das DDR-Opfer Goldenberg dabei, daß er seinen Ost-Besitz damals den von Stasi und KoKo gewährten Privilegien verdankte.

Nun kämpft Simon Goldenberg juristisch um sein Häuschen mit Garten. Sein Ostberliner Anwalt Herbert Breitbarth hat am 22. Februar dieses Jahres beim Landgericht Berlin „Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland“ auf Herausgabe des Hauses erhoben. Streitwert: 800.000 Mark. Da sich die Berliner Oberfinanzdirektion als Vertreterin des Bundesfinanzministeriums gegen das Ansinnen sträubt, wird es wohl zum Prozeß kommen.

Ärger mit Justitia droht „Monsieur Simon“ ohnehin: Der Staatsanwalt beschäftigt sich derzeit mit mehreren Falschaussagen des früheren DDR-Mafiosi: Vor dem bayerischen Schalck-Untersuchungsausschuß hatte Goldenberg vehement jede Kooperation mit der Stasi geleugnet. Mittlerweile ist aber in den Gauck-Akten seine Verpflichtungserklärung aufgetaucht. Thomas Scheuer