Damit die Mücke die Fliege macht

■ Weil die chemischen Abwehrmittel wegen ihrer Nebenwirkungen in Verruf geraten sind, sollen nun die ätherischen Öle von Nelke oder Lavendel die Plagegeister vertreiben

Damit die Mücke die Fliege macht Weil die chemischen Abwehrmittel wegen ihrer Nebenwirkungen in Verruf geraten sind, sollen nun die ätherischen Öle von Nelke oder Lavendel die Plagegeister vertreiben

Noch vor wenigen Jahren gab es für die meisten Leute nur ein Mittel, wenn sie sich etwa im Urlaub am Wasser die Stechmücken vom Leib halten wollten: DEET (Diethyltoluamid) — in Deutschland besser bekannt als Autan. Amerikanische Militärs hatten in den fünfziger Jahren Tausende von Stoffen für den Einsatz in tropischen Sümpfen getestet und sich diese Chemikalie als besonders wirksam patentieren lassen: Bald benutzten sie jedes Jahr schätzungsweise 200 Millionen Urlauber. Doch dann stellte sich heraus, daß der Stoff die Nerven schädigen kann. Vor drei Jahren verordnete das Bundesgesundheitsamt dem Mittel darum eine Reihe von Warnhinweisen.

ÖKO-TEST prüfte jetzt 15 Mückenmittel. Nur noch fünf enthalten die ungesunde Substanz oder ähnlich schädliche Verbindungen. In anderen Produkten stecken Nelke, Lavendel, Zitrone, Minze und andere stark riechende Öle, mit denen vor allem Alternativfirmen Mücken in die Flucht schlagen wollen.

Jede Firma hat ihr eigenes Rezept. Der Hersteller Clawa setzt bei der Dschungelmilch auf Nelkenöl als Hauptwirkstoff. Das „stinkt aber wie ein orientalischer Puff“, findet Marketingleiterin Gabriele Schlieker, deshalb kommen andere Öle in die Mixtur — so steht der Liebesnacht im Zelt nichts im Wege.

Wie gründlich ätherische Öle die Plagegeister vertreiben, ist allerdings umstritten. Wolf Sixl ist eine Koryphäe auf diesem Gebiet. Der Professor des Hygiene-Instituts der Universität Graz geht nach eigenem Bekunden in 16 Ländern dieser Frage nach. Natürliche Repellents? „Ich kenne noch keine“, läßt Sixl

1wissen.

Inzwischen legen einige Abfüller von ätherischen Ölen Gutachten zur Wirksamkeit vor. Das Schweizerische Tropeninstitut testete das Produkt Zedan mit Mücken, denen „am Abend vor dem Testtag das Zuckerwasser entzogen“ wurde, damit sie ordentlich Hunger verspürten. Das Institut bescheinigt Zedan eine „ausgezeichnete Repellenzwirkung“, die sechs Stunden anhält.

Praktiker, die öfter mal die eigene Haut zu Markte tragen, sind schon länger überzeugt. „In unseren Breiten halten bereits ätherische Öle zufriedenstellend Insekten fern“, meint Renate Brettschneider vom gleichnamigen Fernreisebedarf- Anbieter. Bei den natürlichen Sorten „gibt es jetzt relativ gute Sa-

1chen“, berichtet auch Sammy Serbes, der als Verkäufer in einem Globetrotter-Laden erfährt, wie es den Kunden im Urwald so ergangen ist. Früher griffen sie gerne zu dem skandinavischen Dschungelöl mit DEET, jetzt schlagen viele Weltenbummler die rund 3000 Stechmückenarten zwischen Finn- und Feuerland mit Dschungel-Deo, das ätherische Öle in sich hat, in die Flucht.

Dem Rezepturwechsel half nicht zuletzt der Hamburger Zoll nach, der Dschungelöl nicht mehr ins Land ließ. Mückenschutz-Mittel fallen nämlich unter das Arzneimittel- Gesetz und müssen danach geprüft sein. Die dazu notwendigen Untersuchungen waren vielen, vor allem kleineren Herstellern zu teuer, sie zogen ihren DEET-Mückenschutz

1zurück.

Die Abfüller von ätherischen Ölen verfielen auf einen eleganteren Ausweg. Sie deklarieren ihre Mittel nun einfach als Kosmetik. Bestechende Begründung: Sie seien dazu bestimmt, „äußerlich am Menschen zur Vermittlung von Geruchseindrücken verwendet zu werden“, heißt es in einem Gutachten. Wenn man es nur recht besieht, sind sie also eine Art Parfüm.

Das Arzneimittel-Institut des Bundesgesundheitsamts kann durch diesen Trick nichts mehr bemängeln. Nebenwirkungen müssen nicht angegeben werden. Das heißt aber nicht, daß es keine gibt. Allergische Reaktionen können auch bei empfindlichen Menschen auftreten, die sich ätherische Öle auf die Haut schmieren. Jochen Paulus