Nicht nur zu Ostern

■ Portugal hat das erste Papst-Fernsehen der EG

Lissabon (taz) – Nach dem Angelus-Gebet am Mittag auf dem Petersplatz in Rom wurde Johannes Paul II. wieder mal polyglott. Der Papst wandte sich auf portugiesisch an die Gläubigen. Und das hatte seinen besonderen Grund. Obwohl es ein gewöhnlicher Sonntag war, weder Weihnachten noch Ostern, wurden Ansprache & Segen vom Fernsehen nach Portugal übertragen.

TV I heißt der Sender, der jeden Sonntag „Papst live“ bringt. Der Buchstabe „I“ steht für Independente, also unabhängig. Besser wäre wohl „I“ für Igreja, für Kirche. Denn TV I ist das Fernsehen der Katholischen Kirche Portugals. Damit ist Portugal das erste Land der EG mit „einem christlich inspirierten Fernsehprogramm“, wie es in der Eigenwerbung heißt. Kein Zufall, denn 95 Prozent der PortugiesInnen sind katholisch, der Einfluß des Klerus auf Staat und Gesellschaft ist groß.

Am 20. Februar, dem Samstag vor der ersten sonntäglichen TV- Mess(ag)e des Papstes, hatte der Kirchensender den Betrieb aufgenommen. Neben den beiden staatlichen Programmen Canal 1 und TV 2 sowie dem Privatsender SIC des Zeitungsverlegers Francisco Pinto Balsemão ist TV I das vierte Fernsehprogramm in Portugal. „O Quatro“ – das Vierte, wird es daher kurz genannt. TV I ist eine AG. Rund 13.000 Aktionäre zeichneten Anteilsscheine, darunter der Bischof von Braga, aber auch ganz normale BürgerInnen. Die größten Anteilseigner bei TV I sind die katholische Radiostation Radio Renascenca mit 12,4 und die katholische Universität Lissabon mit sechs Prozent. Der spanische Rundfunksender Antena 3 hält fünf Prozent.

230 Angestellte, darunter 60 JournalistInnen, machen bei TV I 66 Stunden Programm pro Woche, davon sind 21 Stunden eigenproduzierte Sendungen, finanziert durch Werbung. Seitdem TV I und SIC auf Sendung gegangen sind, brodelt die Hefe im Werbekuchen: Im vergangenen Jahr bezahlten Portugals Werbeagenturen und Firmen umgerechnet rund 420 Millionen Mark für TV-Werbung. 1993 werden es umgerechnet 520 Millionen Mark sein.

TV I läßt jedoch nicht jede Art von Reklame über die Bildschirme flimmern. Nichts Nacktes darf in den Spots vorkommen; auch Werbung für Kondome wird es – da sei der Papst vor – im Kirchenfernsehen nicht geben. Das Programm orientiert sich „klar an christlichen Werten“, so TV I-Präsident Roberto Carneiro. Ein „Familienprogramm“ soll es sein. Und um zu erfahren, was die sehen wollen, hat TV I vor Sendebeginn eine Meinungsumfrage bei 1.600 repräsentativ ausgewählten Familien gemacht. Über die Ergebnisse hüllt sich Carneiro jedoch in Schweigen: „Darüber verrate ich nichts. Denn die Studie hat uns ein Heidengeld gekostet.“

TV I hat es vor allem auf junge ZuschauerInnen abgesehen. Kinderserien gibt es täglich, dazu am späten Nachmittag die Kinder-Unterhaltungssendung „Onkel Carlos' Haus“, nach 20 Uhr dann die Abenteuer der Teens von der Boyside-Highschool.

Schick' deine Eltern um acht ins Bett

Und wenn die Eltern etwas anderes sehen wollen? Gar nicht christlich-harmonisch, sondern kurz und bündig rät die TV I-Eigenwerbung den Kindern: „Schick' deine Eltern um acht ins Bett und schalte das Vierte ein!“

Von halb acht bis acht sollen die Erwachsenen aber wenigstens noch die TV I-Nachrichten schauen. „Informacão Quatro“ mit Nuno Oliveira und Paul Magalhães, beide vom staatlichen Fernsehen abgeworben. Sie präsentieren vor allem portugiesische Politik, wenig Internationales. Kein Wunder: TV I verfügt nur über drei Auslandskorrespondenten, in Brüssel, New York und – Rom. Ganz nah bei Ihm. Theo Pischke