Neulich...

■ ...auf der Umgehungsstraße

NEULICH ...

... auf der Umgehungsstraße

Neulich fuhr ich heim. Nach sieben mageren Jahren. Ich wußte also, was mich erwarten würde. Man kennt das ja. Kaum kehrt man dem heimatlichen Hort den Rücken und die kalte Schulter, um in der großen, weiten Welt den Ruch des Landeis loszuwerden — da ändern sich die Dinge über Nacht.

Und die „Gemeinde Weyhe“, dieses Kunstprodukt der Gebietsreform, hat viel nachzuholen. So sah ich, auf der Autobahn nahend, vor meinem geistigen Auge schon die alte Weide stehen, die nun unzweifelhaft ein Discount-Supermarkt sein würde. Im Tabakhaus — ein Software-Profimarkt. Die Molkerei? Ein Fitneßcenter. Und Krüppelwalmdach-Neubauglück allüberall — Bremer Stadtflüchtlinge, die sich nunmehr „auf dem Lande“ wähnten. So würde es sein. Sowas erwartet der Spätheimkehrer.

Aber nichts da. Kein Laden. Kein Dorf. Nicht mal eine klitzekleine Neubausiedlung. Stattdessen nur Asphalt: Die „Umgehungsstraße“, diese Errungenschaft der 70er Jahre, die hatte uns in Weyhe noch gefehlt. So gehts nun munter von der Autobahnabfahrt per Rampe auf die neue Bundesstraße. Dann: „Ortsumgehung Brinkum“. Halbfertige Betonpisten durch die Marschen, Bauaushubgebirge zu beiden Seiten. Abfahrt Leeste? Fehlanzeige. Leeste links liegenlassen — die nächste Umgehung kommt sofort. Kirchweyhe? Wird auch umfahren. Doch da: Irgendwo unter mir, am Fuße meiner Trasse, da leuchtet doch was: Lichter? Menschen?

Und tatsächlich: Ein verschämtes Schildchen weist den Weg aus dem Umgehungsstraßen-Limbo nach — „Kirchweyhe-Mitte“. Warum nicht gleich „Centrum“? „City“? Zuhaus' im Dorf stell' ich den Motor ab. In Weyhe herrscht jetzt wieder Ruhe. Ringsum brummen die Pendler, auf ihren neuen Umfahrungen durch die Nacht irrend. Richtung Osten graben sich die nächsten Umgehungsstraßen in die Landschaft. „Weyhe“ heißt jetzt „Maulwurfshausen“. Und hat noch soviel nachzuholen.

Thomas Wolff