698 Mark für ein verlorenes Bein

■ Vor Somalia: Soldatenfamilien informieren sich über Versicherung und Auslands-Sold

Auch der Tod von 23 Blauhelmen ändert nichts daran: Deutsche Soldaten sollen nach Somalia. Die psychologische Vorbereitung an der Heimatfront läuft schon auf Hochtouren, und alle machen mit: der Militärseelsorger, das Versorgungsamt und die Versicherungsvertreter.

Ein Soldatenheim in der Nähe Bremens, noch vor dem Mord an den Pakistanischen Blauhelmen: Schon im Eingang Kinderwagen und Frauen in bunten Sommerkleidern. Im Foyer flanieren junge Bürger in Uniform, in der Hand eine Kaffeetasse, auf dem Arm ein Baby, plaudernd mit ihren Frauen. Bataillionskommandeur Wolfgang Finkeldey schreitet dynamisch das bunte Trüppchen ab. Sein Blick schweift zufrieden in die Runde. „Sie wissen“, erläutert er, „die Bundeswehr denkt schon länger über die Erweiterung ihrer Aufgaben nach.“ Nun hat sie eine gefunden: Soldaten aus Finkeldeys Pionierbataillon 11 gehen im zweiten Kontingent als Blauhelme nach Somalia, im Januar, möglicherweise aber auch schon im November.

Umfassend wird auf das neue Arbeitsgebiet vorbereitet. „Wissen Sie“, sagt Finkeldey, „wir sind ja solche Einsätze gar nicht gewohnt. Es ist wichtig, den Betroffenen das Gefühl zu geben, daß wir uns für sie verantwortlich fühlen. Wir gehen das alles auch mental

Auch das Spendenaufkommen für Kriegsgräber wird steigen...Foto: Archiv

an.“

Ende der Kaffeepause, nach der Kleingruppenarbeit am Vormittag wird jetzt im Plenum diskutiert. Schwerpunkt des heutigen Seminars — nicht das erste und nicht das letzte, informiert Finkeldey — sind Versicherungsfragen. Neben dem Militärseelsorger und dem Sozialbetreuer sitzen auch ein Herr vom Versorgungsamt und ein Versicherungsvertreter im Podium. Der ist vor allem gefragt. Eine junge Frau mit Säugling auf

hier bitte das Foto mit der

Sammelbüchse

dem Schoß erkundigt sich sachlich: „Was ist, wenn mein Mann stirbt: Stehe ich dann mit den Raten für das Haus und dem Kind allein da?“

Der Versicherungsvertreter weist auf Sonderklauseln für out- of-aerea-Einsätze hin und rät zu einer „Berufsunfähigkeitszusatzversicherung“ plus „Unfalltodzusatzversicherung“. Statt einer kapitalbildenden Lebensversicherung sollte man für die Dauer des Einsatzes lieber eine Risikolebensversicherung abschließen.

„Und wenn mein Mann verletzt wird und nicht mehr arbeiten kann?“ will eine andere Frau wissen. Da kann der nette Herr vom Versorgungsamt helfen: Für ein verlorenes Bein gibt es 698 Mark, zusätzlich zur Berufsunfähigkeitsrente. Jetzt nimmt der Papi das Baby mal wieder auf den Schoß. Prima Klima bei der großen Bundeswehrfamilie.

„Unsere Leute sind hochmotiviert“, verrät Finkeldey. Eine Befragung unter Wehrpflichtigen, die, anders als Zeit- und Berufssoldaten nicht zum Blauhelm-Einsatz gezwungen werden können, hatte ergeben, daß von 11 Befragten 34 nach Somalia wollten. Die Bewährungsprobe lockt und auch das Geld.

Die Frage nach den Finanzen bleibt im Plenum nicht unbeantwortet: Wie die deutschen Sani

tätssoldaten, die schon in Kambodscha im Einsatz sind, werden die Blauhelme in Somalia wohl zusätzlich zum Sold 150 Mark Aufwandsentschädigung pro Tag erhalten. Dazu kommen 28 Mark „Buschgeld“ für Kampfeinsätze sowie 50 Mark für Sondereinsätze. Da kommt in einem halben Jahr einiges zusammen, wenn man es überlebt.

Ziel des Seminars ist ein Konzept für ein „Familienbetreuungs- und Informationszentrum“. Das soll den Kontakt zwischen Einsatzort und Heimat fördern und zu Hause einspringen, wenn Not am Mann ist, wenn den Frauen der Alltag allein mit den Kindern über den Kopf wächst, wenn jemand krank wird oder etwas mit dem Geld nicht klappt. „Und wenn Se durch Ihren Papierkram nich durchblicken, bringen Se det janze Zeug einfach mit. Hier sitzen Männer, die det janz hervorragend können“, berlinert Finkeldey salopp.

„Wir wollen alle Betroffenen einbinden, sie zusammenschweißen“, hatte er schon in der Pause erklärt. „Sie sollen wissen: Wir sind für Sie da.“ Der Kommandeur legt tatsächlich die Hand aufs Herz: „Das ist mir eine Herzensangelegenheit. Das muß man tief empfinden, sonst bringt man das nicht rüber.“ Marie Beckmann