„Das wird keine ganz leichte Sache werden“

■ Gerhard Baum, Vize-Chef der deutschen Delegation, zur Wiener Konferenz

taz: Herr Baum, wird die Menschenrechtskonferenz in Wien – ähnlich wie der Umweltgipfel in Rio – zur bloßen Medienfarce ohne nennenswerte Ergebnisse?

Gerhart Baum: Das glaube ich nicht. Zwar ist der Entwurf einer Schlußresolution stark umstritten, aber es geht auch darum, moralischen Druck auszuüben. Schon allein die Medienwirkung wird das Bewußtsein in der ganzen Welt für die Menschenrechte schärfen. Und das ist auch notwendig, denn schließlich ist das Thema „Menschenrechte“ bisher unterbewertet worden. Lediglich 0,7% des UN- Budgets werden derzeit für Menschenrechte ausgegeben. In der Bundesrepublik wurde in der letzten Zeit zwar sehr viel über friedenserhaltende und friedensschaffende Maßnahmen diskutiert, ohne daß wir die ungleich größere Zahl von Menschen, die in der Welt unter Menschenrechtsverletzungen leiden, im Auge haben.

Trotzdem: Warum erst jetzt diese globale Beschäftigung mit den Menschenrechten?

Das Hauptmotiv der Initiatoren von Wien war es, nach dem Wegfall des Ost-West-Konfliktes festzustellen, wie es nun mit der Menschenrechtslage und der Durchsetzung der Konvention steht.

Was das Menschenrechtsthema anbelangt, so bin ich gemäßigt optimistisch, weil ich spüre – ähnlich wie im KSZE-Prozeß –, daß die Menschenrechte immer mehr zum Bestandteil internationaler Beziehungen werden. Völker, die am internationalen Handel teilnehmen wollen, die Entwicklungshilfe erhalten wollen, werden nun gezwungen, zur Menschenrechtsfrage Stellung zu nehmen. Sei es auch nur rechtfertigend. Wien steht im Zeichen von Ex-Jugoslawien und so bitter es klingt: Die dortige Lage hat das Thema „Menschenrechte“ in unseren letzten Konferenzen weitergebracht.

Das „Recht auf Enmischung“ ist umstritten, Entwicklungsländer befürchten, daß ihnen künftig Hilfe nur gewährt wird, wenn sie westlichen Demokratievorstellungen entsprechen. Menschenrechte als „politisches Druckmittel“?

Hier muß man sorgsam differenzieren: Jede Diskussion über Menschenrechte bedeutet Einmischung. Die Menschenrechtskommission in Genf mischt sich fortwährend ein. Die Frage ist aber, wie man das tut und mit welchem Ziel. Wir werden uns immer einmischen, wenn im Schutze eines Staates gefoltert wird. Es ist eine Zumutung, wenn sich Regierungen dabei auf ein anderes kulturelles oder religiöses Verständnis von Menschenrechten oder auf mangelnde Entwicklung berufen und meinen, die Weltgemeinschaft müsse das tolerieren. Es besteht allerdings eine deutliche Beziehung zwischen Entwicklung, dem Recht auf Entwicklung und den Menschenrechten. Dazu gehören die sogenannten beratenden Dienste der Menschenrechtsgremien in Genf. Dazu gehört die Forderung, bessere Rahmenbedingunen für die 3. Welt zu schaffen.

Herr Baum, in einem Land wie China gehören Menschenrechtsverletzungen zur Tagesordnung. Dennoch gibt es enge politische Beziehungen zur Bundesrepublik. Auch in der Türkei, deren Regierung Kanzler Kohl als „rechtsstaatlich“ rühmt, werden Menschen systematisch gefoltert und verfolgt. Wie glaubwürdig ist die Bundesrepublik?

Das Menschenrechtsthema ist integraler Bestandteil unserer außenpolitischen Beziehungen. Aber es ist eben nicht der einzige, sonst könnten wir ein Großteil unserer Botschaften schließen. Allerdings dürfen wirtschaftliche Interessen das Menschenrechtsthema nicht beiseite drücken. Das ist weder in der Türkei noch im Falle Chinas geschehen. In Peking scheint man langsam zu begreifen, daß die Beziehung zur Welt letztlich auch von der Menschenrechtsfrage abhängig ist. Wir müssen dieses Regime immer wieder unter Druck setzen, ohne dabei den Staat zu isolieren.

Sie vertreten in Wien ein Land, in dem kürzlich das Asylrecht massiv beschnitten wurde und in dem Fremdenfeindlichkeit einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Reisen Sie mit gutem Gewissen?

Fremdenfeindlichkeit und Gewalt in Deutschland werden wir nicht verschweigen oder beschönigen, Außenminister Kinkel wird bei seiner Rede vor der Konferenz dazu Stellung nehmen. Leicht wird das nicht werden, denn die Welt blickt auf uns.

Das gilt auch hinsichtlich der Asylrechtsänderung, wo ich im übrigen künftig sehr darauf achten werde, daß die UNO-Flüchtlingskonvention in der Realität auch eingehalten wird. Und das nicht nur bei uns, sondern auch in den Nachbarländern, auf die wir jetzt einen großen Teil der Verantwortung übertragen haben.

Alles in allem aber fühle ich mich sehr wohl imstande, die Bundesrepublik zu vertreten. Denn es gibt einen fundamentalen Unterschied: Im Gegensatz zu anderen Staaten benutzen wir Menschenrechtsverletzungen nicht zur Stabilisierung von Macht, sondern bekämpfen sie. Interview: Hasso Suliak