Der Wertstoff stinkt zum Himmel

■ Das Duale System Deutschland lagert in geplantem Feriengebiet bei Rogätz Plastikmüll auf Schiffen zwischen

Rogätz (taz) – Auf die Wasserlandschaft rund um Rogätz ist der Gemeindebürgermeister Günther Homann mächtig stolz. Die Elbe und über 100 Hektar Kiesseen bieten sich als künftiges Feriengebiet geradezu an. Vor kurzem hat die Gemeinde Rogätz deshalb gemeinsam mit zwei Nachbarorten ein ehrgeiziges Freizeit- und Ferienkonzept mit Bungalow-Siedlungen, Campingplätzen und einem Freizeitpark aus der Taufe gehoben. Die Pläne dafür, so glaubt Homann, kann er jetzt wieder zu den Akten legen. „Wer macht hier schon Ferien, wenn auf den Badeseen stinkender Müll auf Schiffen zwischengelagert wird?“

Das Duale System Deutschland (DSD) lagert nämlich bei Rogätz auf Leichtern der Binnenreederei Berlin Kunststoffabfälle, die recycelt werden sollen – irgendwann einmal – und deshalb als Wirtschaftsgut gelten. „Es handelt sich dabei um zu Ballen gepreßte Polyethylen-Folien“, sagt DSD-Sprecher Gunnar Sohn. Das mag zumindest Bürgermeister Homann kaum glauben. „Was da lagert, ist Hausmüll“, ist er sich sicher. Rund zehn Leichter haben auf dem Kiessee festgemacht, am Donnerstag haben Anwohner die Ankunft dreier weiterer Schiffe beobachtet. „Die Schiffe verbreiten einen bestialischen Gestank“, klagt Homann. „Wir haben einen der Leichter geöffnet und nachgeschaut.“ Was da zutage trat, ist nach Ansicht des Rogätzer Bürgermeisters kein Wirtschaftsgut, sondern schlicht und einfach Müll, der durch die große Hitze der vergangenen Zeit auch noch zu gären begann. „Wir haben Gärungstemperaturen von rund 250 Grad darin gemessen.“

DSD-Sprecher Gunnar Sohn weist solche Vorwürfe zurück. „Wir lagern dort nur die vertraglich vereinbarten Polyethylen-Folien“, sagt er. „Ein einziger Leichter mit Mischkunststoffen, der in Rogätz gelandet ist, wird natürlich von uns zurückgenommen.“ So etwas könne schon mal passieren, weil das Personal der Binnenreederei bei der Kontrolle noch nicht über die ausreichenden Erfahrungen verfüge. Die Kiesseen bei Rogätz sind das erste derartige Zwischenlager der DSD. Weitere sollen folgen und bis mindestens Ende 1994 bestehen bleiben. Dann erst werde das DSD genügend Recycling-Kapazität haben.

Obwohl Mitarbeiter eines Fernsehteams in den Schiffen sogar noch gefüllte gelbe Säcke gesehen haben, hat das Magdeburger Umweltministerium noch keine Aktivitäten zur Überprüfung der Schiffsinhalte entfaltet. Für Dienstag, so eine Sprecherin, seien Vertreter der Binnenreederei nach Magdeburg eingeladen. „Dann wollen wir erst einmal überprüfen, wer mit wem über was einen Vertrag geschlossen hat.“ Außerdem soll die Binnenreederei dann die Überprüfung der Schiffe genehmigen. Eberhard Löblich