Menschenrechte: UNO kuscht vor Diktatoren

■ Auftrittsverbote der UNO gegen unliebsame Regimegegner auf der Wiener Menschenrechtskonferenz führen zum Eklat

Wien/Genf (taz) – Im Vorfeld der am Montag in Wien beginnenden „Weltmenschenrechtskonferenz“ der UNO ist es zu einem Eklat gekommen, der die ganze Veranstaltung zur Farce degradieren könnte. Auf Druck der Regierung Chinas und anderer Regierungen untersagte die UNO die geplanten Auftritte des tibetanischen Volks- und Religionsführers Dalai Lama sowie von sieben Menschenrechtsgruppen bei den Parallelveranstaltungen von rund 1.000 nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen (NGOs). Die NGOs erwogen gestern einen gemeinsamen Boykottaufruf.

Die Entscheidung zur Absetzung der acht Veranstaltungen traf der Leiter des für die Wiener Konferenz verantwortlichen UNO-Menschenrechtszentrums in Genf, Ibrahima Fall. Betroffen sind neben dem Dalai Lama unter anderen zwei chinesische Studentengruppen sowie eine iranische und eine türkisch-kurdische Menschenrechtsorganisation. Zumindest die Absetzung des ursprünglich für Montag vorgesehenen Auftritts des Dalai Lama im UNO-Gebäude auf der Donauinsel wurde damit begründet, daß er eine offizielle politische Funktion trage. Dies verstoße gegen Rahmenbedinungen, die vorab für alle innerhalb des UNO-Gebäudes stattfindenden Veranstaltungen festgesetzt wurden.

Die Sprecherin der Genfer UNO-Zentrale, Therèse Gastaut, die während der Anwesenheit Butros Ghalis in Wien als dessen dortiger Sprecher fungiert, bestritt gestern auf Anfrage allerdings, es habe überhaupt ein Veranstaltungsverbot gegeben. Die NGOs hätten ihr Programm „eigenständig“ geändert. Eine Vertreterin der NGO-Koordination wies diese Behauptung gegenüber der taz als „Lüge“ zurück. Amnesty international hat dem Dalai Lama inzwischen einen Auftritt im ai- Konferenzzelt neben dem Wiener UNO- Zentrum angeboten.

Die Regierungen der westlichen Industriestaaten, auf deren Initiative die Durchführung der Weltkonferenz zurückgeht, messen dem ganzen Unternehmen inzwischen offensichtlich keine große Bedeutung mehr bei. Während eine ganze Reihe von Staaten des Südens – darunter einige, die schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden – mit von Präsidenten oder Regierungschefs angeführten hochkarätigen Delegationen und oft für mehrere Tage nach Wien kommen, schicken manche westlichen Industriestaaten nicht einmal ihren Außenminister. Und diejenigen, die in Wien auftreten, bleiben nur für ein paar Stunden, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab: US-Außenminister Christopher verweilt am Montag nur für sechs Stunden in Wien, sein Bonner Kollege Kinkel am Dienstag kaum länger.

Dossier zur Menschenrechtskonferenz mit Beiträgen von Andreas Zumach und Wolfgang Heinz sowie einem Interview mit dem Vizechef der deutschen Delegation, Gerhard Baum. Seiten 14 und 15