Verzerrte Liebesleidereien

■ Beziehungsstreß aus dem 19. Jahrhundert, leidlich aktualisiert: Goethes „Stella“ im bat

Ich gebe zu, ich bin kleinlich. Sehr wahrscheinlich hatte ich die letzten Tage zuviel Max Goldt als Bettlektüre. An Humor fehlt es mir auch, und deswegen werde ich nie so ein Glossenschreiber, wie Max Goldt einer ist. Aber das ist nicht weiter schlimm – ich muß keine Glossen schreiben.

Daß ich nicht mag, wenn Pressefuzzis hofiert werden, nur damit sie eine freundliche Theaterkritik schreiben, finde ich wiederum ganz sympathisch an mir. Ich hab' also nichts gegen unfreundliche Kassendamen, die Geld für Pressekarten haben wollen, und auch nichts gegen Kartenabreißerinnen, die einen das Programmheft zahlen lassen. 2,50 Mark können selbst taz- Autorinnen sich leisten...

Bloß: daß ich im Theater immerzu an Zucht und Ordnung denken muß und an monströse Oberschullehrerinnen, das ist schon eine echte Arbeitsbehinderung. Aber wie gesagt, von einem Max Goldt trennen mich Welten, und ich werde nichts von Schulen und ähnlichem berichten, sondern langsam zum Thema kommen. Auch wenn ich erst einmal sagen muß, daß Goethes „Stella“ ein ziemliches Schwachsinnsstück ist. Aber das fand G. wohl auch selber, denn in „Dichtung und Wahrheit“ hat er es mit keinem Wort erwähnt. Seine Zeitgenossen haben sich furchtbar darüber aufgeregt: Ein Mann mit zwei Frauen – so was ging natürlich nicht.

Daß diese Frauen immerzu und ganz und gar und absolut immer nur einen lieben, derweil der Mann immerzu und ganz und gar alle (attraktiven) Frauen liebt, ist denn wohl auch mehr Dichtung als Wahrheit – obwohl so was ja bis in die heutigen Tage gern behauptet wird.

Nichtsdestotrotz ist was dran an dem Stück, denn so richtig schlecht sein – das konnte Goethe dann doch nicht, und so erfreut sich „Stella“ auf dem Theater einiger Beliebtheit; die literarisch besten Dramen sind eben nicht unbedingt die theatralisch wirksamsten.

Am bat hat sich jetzt Christina Friedrich (Studentin der Schauspielregie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch) den Schmachtfetzen vorgenommen und mit einigem Tempo eine stellenweise furiose Inszenierung auf die Bühne gebracht. Intelligentes Theater, das in seinen gelungenen Momenten (und davon gibt es einige) zu einem wunderbar verspielten Umgang mit dem Text findet. Gleich ein paarmal hintereinander fällt Stella (Susanne Schrader) in Ohnmacht, als der verschollene Geliebte (Niels Düwell) nach drei Jahren wieder auftaucht, und blitzschnell steht sie auf, wenn der nach Hilfe rufend über die Bühne rast: Bis sie schließlich erreicht hat, was sie wollte, und der ratlose Geliebte sie endlich in die Arme nimmt.

„Auf Bester! Steh auf! Ich kann dich nicht knien sehen“, sagt Stella, derweil sie Fernando mit Begeisterung immer wieder auf den Boden drückt. Durch die verzerrten Liebesleidereien schimmert der heute immer noch aktuelle „Beziehungsstreß“.

Doch leider nimmt Christina Friedrich den Text zu ernst, und die Absicht erschlägt die Wirkung: Allen Ernstes läßt sie Stella an ihrem Status des Nichtverheiratetseins und den nicht sanktionierten sexuellen Begierden leiden, und so geht es ungefähr ab der Mitte einem traurigen Ende entgegen. Michaela Schlagenwerth

Weitere Aufführungen: Bitte unter 448 27 57 erfragen, beim Bat, Belforter Straße 15.