Aus der Arbeit Selbstvertrauen gewinnen

■ In Kuhhorst bei Nauen sollen 120 geistig Behinderte einen Biohof bewirtschaften

Der untersetzte Heinz-Joachim Brych ist kräftig, jovial und zupackend – alles Eigenschaften, die er in Kuhhorst gut gebrauchen kann. Der studierte Landwirt aus dem Schwäbischen ist seit zwei Jahren Leiter eines Biohofes, auf dem in wenigen Jahren neben 30 Dörflern auch 120 geistig Behinderte Arbeit finden sollen.

Doch bis dahin ist in dem westlich von Berlin gelegenen kleinen Dorf, das sich eng um den ehemaligen Gutshof schmiegt, noch viel zu tun. Die Stallungen und Werkstätten der ehemaligen Groß-LPG sind heruntergekommen, und die fast fünf Quadratkilometer großen Felder müssen vorbereitet werden auf eine biologische Anbauweise ohne Chemikalien. Daß Brych sein Büro im Gemeindehaus hat, verdeutlicht, wie eng das Projekt mit Kuhhorst verbunden ist: Ohne das Rehabilitationsprojekt hätten die Menschen im Ort keine Chance für ein eigenes Einkommen. Bürgermeister Erwin Grodzewitz weiß das und arbeitet im Projekt voll mit.

Die Landarbeit sei für geistig Behinderte besonders gut geeignet, weil sie vielfach Probleme mit der feinmotorischen Bewegung hätten, weiß Brych, der beim gemeinnützigen Verein „Mosaik“ angestellt ist. Deswegen habe man seit vielen Jahren nach einem Bauernhof gesucht, doch erst der Mauerfall habe unverhofft die Chance geboten, das Gut mit seinem für Brandenburg ungewöhnlich fruchtbaren Boden zu erwerben. In Berlin betreibt „Mosaik“ als freier Träger von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen für geistig Behinderte sechs Werkstätten mit über vierhundertfünfzig Arbeitsplätzen und ein Restaurant.

Als ersten Schritt hat Brych die Landwirtschaft wieder aufgenommen. Erleichtert wurde der Start, weil „Mosaik“ nahezu zehn Millionen Mark an Beihilfen vom Land Brandenburg und vom Bundesministerium für Arbeit erhielt. Neue Schlepper und Mähdrescher wurden inzwischen gekauft, die Äcker wieder unter den Pflug genommen und ein großer Gemüsegarten angelegt. Die Milchproduktion ist ebenfalls angelaufen – derzeit aber noch in den alten Ställen. Ein neuer Stall für 160 Tiere soll noch gebaut werden.

Noch nicht begonnen wurde mit dem Bau eines Wohnhauses für die Behinderten. Deswegen sind derzeit auch nur sechs behinderte Menschen auf dem Hof beschäftigt – sie werden jeden Tag aus Berlin in das knapp fünfzig Kilometer entfernte Kuhhorst gefahren.

Wenn der Hofbetrieb mit den neuen Einrichtungen in vollem Umfang anlaufen kann, werden die Behinderten in allen Bereichen tätig sein: Gerade weil der biologische Landbau sehr arbeitsintensiv ist, böten sich in den Ställen und auf dem Feld eine Vielzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten. Gleiches gilt für die Weiterverarbeitung der Produkte: Eine Käserei und Mosterei sowie eine Fleisch- und Wurstproduktion soll es in Kuhhorst ebenfalls geben.

Noch in diesem Jahr soll ein Trainingsbereich fertiggestellt und mit der Ausbildung von etwa 15 Behinderten begonnen werden, erzählt Landwirt Brych, während er das Gemüse begutachtet, einen Maikäfer für seine Kinder aufsammelt und mit dem Traktorfahrer redet, der das Gemüse mit Brennesselsud spritzen will.

In einer zweijährigen Ausbildung sollen die Behinderten im kleinen lernen, wie man mit Gänsen und Kühen umgeht oder Gemüse anbaut und erntet. Heinz-Joachim Brych hat eine klare Vision: Die künftigen Bauern sollen Selbstvertrauen aus dem Wert ihrer Arbeit entwickeln und zugleich gesunde Lebensmittel produzieren. Gerd Nowakowski