■ Das Portrait
: Tansu Ciller

Foto: Reuter

Die Türkei scheint ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein. 1990 tritt frau einer konservativen Partei bei, drei Jahre später ist sie Ministerpräsidentin des Landes: mit überwältigender Mehrheit wurde die 47jährige Tansu Ciller vom Kongreß der Partei des rechten Weges (DYP) zur Parteivorsitzenden gewählt und anschließend von Staatspräsident Süleyman Demirel mit der Regierungsbildung beauftragt. „Wir zwei Männer sind nicht mit einer Frau fertig geworden“, soll Gegenkandidat Köksal Toptan laut türkischen Presseberichten seinem Leidensgenossen Ismet Sezgin nach der verlorenen Wahl gesagt haben.

Selbst der Schatten Demirels, der Vaterfigur der Konservativen, durch dessen Wahl zum Staatspräsidenten der Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten frei geworden war, konnte Cillers Höhenflug nicht verhindern. Demirel hatte indirekt seinen Einfluß geltend gemacht, um die Wahl Cillers zu verhindern.

Nicht zuletzt dem Einfluß der türkischen Medien hat Ciller ihre Karriere zu verdanken. Ob im Bikini in ihrer Villa am Mittelmeer oder mit Kopftuch in der Fundamentalistenstadt Urfa an der syrischen Grenze – sie läßt sich verkaufen. Hurra-Stimmung herrscht jetzt unter den Meinungsmachern. Endlich eine junge, dynamische Frau, die auch die rechte Image-Pflege für die Türkei betreiben kann, eine Istanbulerin, die New Hampshire und Yale kennt und vor ihrem Einstieg in die Politik Professorin am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Bosporus Universität war. Doch Ciller kann auch anders. Schon jetzt schafft sie es, das hohle nationalistische Gerede der Politikergarde von „türkischer Flagge“, „Gottes Beistand“ und „heiliger Schicksalswendung“ nachzuäffen.

Cillers Aufstieg steht gleichzeitig für den aufstrebenden türkischen Kapitalismus. Die knallharte Neoliberale hat stets ihren einstigen Chef Demirel beschuldigt, aus Sorge um Popularitätsverlust keine Risiken auf sich zu nehmen. Ruck-zuck will sie nun die defizitären Staatsbetriebe schließen und den letzten Rest an staatlichen Sozialleistungen beseitigen. Einen Tag vor ihrer Wahl hatte sie sich Telefonanrufern gegenüber abgeschottet. Nur eine Frau drang zu ihr durch: Margaret Thatcher. Die beiden verstehen sich seit je her blendend. Ömer Erzeren