■ Der Dalai Lama und die Menschenrechtskonferenz
: Einmischen bitte!

Es ist kein „Schönheitsfehler“ – wie die taz gestern titelte –, sondern ein Skandal: in den ersten Reihen der UNO-Menschenrechtskonferenz sitzen nicht die Vertreter der Opfer, sondern die Repräsentanten der Täter. Daß der Dalai Lama, der sich seit Jahrzehnten wie kein anderer für Menschenrechte und Gewaltfreiheit engagiert, draußen ist, aber die Vertreter Chinas, die verantwortlich sind für Völkermord, Kulturbarbarei und Neokolonialismus in Tibet, drinnen sind, ist symptomatisch. Drinnen sind auch die Vertreter der Türkei. Aber draußen protestieren die Vertreter der Kurden.

In den wichtigsten Sitzungen der Konferenz, dort wo die entscheidende Abschlußerklärung verfaßt wird, fehlen auch die Nichtregierungs-Organisationen. Ohne deren Arbeit wüßten aber auch wir Journalisten nicht viel über die weltweiten Menschenrechtsverletzungen.

Das große China verbittet sich Proteste gegen Folter und Völkermord, gegen Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen in Tibet mit dem Dinosaurierargument: „Keine Einmischung in innere Angelegenheiten“. Butros Ghali kuscht vor den Menschenrechtsverletzern, wenn er in seiner Eröffnungsrede den großen Skandal schon am Beginn der Konferenz praktisch verschweigt. Auf die Frage, ob ihm klar sei, daß mit dem Dalai Lama ein Friedensnobelpreisträger ausgesperrt wurde, sagt der UN-Generalsekretär, dies sei ihm „nicht bewußt gewesen“.

Es ist ein ethisches Armutszeugnis, wenn Folter und Massenmord, Kulturbarbarei und Religionsverfolgung in Tibet mit „kulturellen und entwicklungspolitischen Unterschieden“ intellektuell rationalisiert werden. Unabhängig von Religion, Kultur und politischer Philosophie: Wer Menschen foltern läßt, für Massenmord und geistigen Terror verantwortlich ist, handelt kriminell: in China und Chile, in der Türkei, in Kambodscha und im Irak. Nicht feiges Kuschen vor der neuen Wirtschaftsgroßmacht China, sondern allein die „Einmischung in innere Angelegenheiten“ kann helfen: den Opfern und der Glaubwürdigkeit der UNO. Übrigens: Es wäre ein unübersehbares Zeichen von Solidarität, wenn Bundeskanzler und Bundespräsident jetzt den Dalai Lama nach Bonn einladen würden. Franz Alt

arbeitet als Journalist in Baden-Baden