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Sternmarsch gegen die Hochschulpolitik

■ 5.000 Studis demonstrieren gegen Demokratiedefizit in der Gesellschaft / Präsident verteidigt Schrumpfen der FU

Mehrere tausend Berliner StudentInnen demonstrierten gestern gegen die Hochschulpolitik des Berliner Senats, der Hunderte von Professorenstellen abbauen will. Bei einem Sternmarsch der drei Berliner Universitäten zum Roten Rathaus protestierten die StudentInnen gleichzeitig gegen das „Demokratiedefizit“ in der Gesellschaft. In Anspielung auf die neue Abtreibungsregelung und die Abschaffung des alten Asylrechts hieß es bei der Abschlußkundgebung: „Nicht Abtreibung, sondern Abschiebung ist Mord.“

Klaus Harke vom Asta der FU rief vor dem Roten Rathaus die StudentInnen dazu auf, der Machtzentralisierung an den Hochschulen „selbstorganisierte Studien mit gesellschaftskritischem Engagement“ entgegenzusetzen. „Es ist Zeit für umfangreichen Widerstand – es reicht“, rief Harke das Demonstrationsmotto. Mit einer „Freien Universität“ im Käfig spielten die StudentInnen auf die erheblichen Autonomiebeschränkungen an, die den Unis durch den Berliner Hochschulstrukturplan drohen. Nach dem Plan sollen 15.000 Studienplätze in der Hauptstadt abgebaut werden. Außerdem hat Wissenschaftssenator Erhardt (CDU) darin eine Reihe der momentan bundesweit diskutierten Zwangsmittel festgeschrieben: eine Festlegung der Studienzeiten auf acht Semester, Zweiteilung des Studiums und Möglichkeiten des direkten Eingriffs in die Studienordnungen durch den Gesetzgeber. Mit dem Strukturplan soll noch im Sommer die Berliner Hochschulpolitik der nächsten Jahre verabschiedet werden.

FU-Präsident Johann Gerlach verteidigte am Vormittag, daß die FU dem Strukturplan zugestimmt hat. „Die FU hat eine Ausuferung erreicht, die nicht mehr sinnvoll ist“, sagte Gerlach. Manche Fachbereiche hätten mehr als 40 Professoren. Die Studierenden verlören den „roten Faden“, und das führe nicht zu „Ganzheit“, meinte er vor rund 500 ZuhörerInnen im Fachbereich Jura. Er sei froh, daß die FU sich mehrheitlich entschlossen habe, diesen „Prozeß der Abstrukturierung“ mitzugehen. Danach müsse „aber Schluß sein“ mit dem Abbau, „sonst wird es für die Institution verrückt“.

Die Studierenden entgegneten dem Präsidenten, daß der Strukturplan ein „reiner Kürzungsplan“ sei. Seine Steigerung könne nur noch lauten: „Die Uni ist wunderbar – aber ohne Studis!“ Die FU hätte dem Strukturplan nicht zustimmen dürfen, sagte ein Student unter dem Beifall seiner KommilitonInnen. „Glauben Sie ernsthaft, daß die Kürzungen nur finanzpolitisch bedingt sind?“ fragte eine andere Studentin. Auf dem Rücken der Studierenden würden dabei die Lehre verschlechtert und kritische Inhalte abgewickelt. Der Akademische Senat habe sich „in eine unheilige Allianz mit faulen Professoren“ begeben, sagte die Studentin. „Es ist völlig klar“, sagte der FU-Präsident zum Hochschulstrukturplan, „daß das an Ihnen vorbeigelaufen ist – aber deswegen ist es nicht falsch.“ Er bot den Studierenden eine Sondersitzung des Akademischen Senats an.

Die Streiks an mehreren FU-Instituten gingen unterdessen weiter. An der TU werden verschiedene Aktionstage durchgeführt. Während der Demonstration wurde für den Berliner „Bildungszipfel“ am 23. Juni aufgerufen. Christian Füller

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