■ Daumenkino
: Waterland

Tom Crick (Jeremy Irons), Geschichtslehrer in Pittsburgh, rekonstruiert im Schulunterricht seine Jugend in England. Das heißt, er erzählt sie nicht nach, sondern karrt die Schüler buchstäblich mit dem Pferdewagen in die Vergangenheit und führt die Kids durch seine Kindheit wie durch ein Museum. Überall stehen Schilder: Bitte nicht berühren.

In Gyllenhaals Verfilmung des gleichnamigen Romans von Graham Swift finden sich zunächst nur Klischees: erste Liebe im Heu, Wuschelköpfe und Baumwollunterwäsche. Jugend: ein Kinomärchen. Aber Crick verspricht mehr: Skandale, Sex, Mord, beziehungsweise die Wahrheit über seine Ehe mit Mary (Sinead Cusack). Eine armselige Ehe. Tom vergräbt sich in die pädagogische Arbeit, Mary schweigt und entführt Babys im Supermarkt, denn sie kann keine Kinder kriegen. „Waterland“ verspricht Aufklärung über das Mysterium dieses Unvermögens, rankt Gerüchte um den dunklen Fleck, das Trauma der Beziehung. Tom Crick enthüllt bei seiner Entlassung vor versammelter Aula: Es war eine Abtreibung. Rückblende und dramatischer Showdown bei der Engelmacherin. Der Inzest zwischen Mutter und Großvater, der Mord des schwachsinnigen Bruders – all das bleibt ein Klacks dagegen. Warum die Abtreibung Mary zum Psychokrüppel machte, erzählt „Waterland“ nicht. Irgendwie versteht sich das von selbst. Am Ende kehren die beiden, typisch Mörder, an den Ort des Verbrechens zurück, in die Fens, jenes dem Meer abgetrotzte Land, dem die Verschlammung täglich aufs neue droht. So führt die Zeitreise zurück in die Kindheit zwar in sumpfige Gegenden, aber der Morast wird niemals bedrohlich, und nie verliert Gyllenhaal den festen Boden unter den Füßen. Sein Film: eine Wattwanderung. chp