■ Mit der Ost-Europa-Förderung auf du und du
: Papiermilliarden

Budapest (taz) – Wann immer von westlicher Unterstützung für die zerrütteten Ökonomien in Osteuropa die Rede ist, herrscht in der Öffentlichkeit der Eindruck, diese Region sei ein riesiges Faß ohne Boden – wurde doch zum Beispiel erst Anfang 1992 jenes ominöse 24-Milliarden-Dollar-Paket für die GUS geschnürt. Doch entgegen der Annahme, osteuropäische Länder und die Ex- UdSSR hätten bereits gigantische Summen westlicher Steuergelder – noch dazu ohne positive Resultate – verschlungen, gilt die Regel: Werden die versprochenen Milliarden überhaupt jemals ausgezahlt, so kommen sie meistens den Geberländern zugute.

Ökonomen aus Ost und West, die sich Anfang der Woche in Budapest zu einer Konferenz über „Wünsche und Realitäten der Internationalen Hilfe für Zentral- und Osteuropa“ trafen, haben errechnet, daß von den rund 54 Milliarden Dollar, die sechs osteuropäischen Ländern (Polen, CR, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) von Januar 1990 bis Juni 1992 zugesagt wurden, lediglich 14 Prozent nicht zurückgezahlt werden müssen, also tatsächlich Geschenke sind. (Zum Vergleich: Beim Marshall-Plan, der heute je nach Berechnungsansatz einen Umfang von 60 bis 150 Milliarden Dollar hätte, mußten 88 Prozent nicht zurückgezahlt werden.) Der Rest der Osteuropa-Hilfe besteht aus gewöhnlichen Krediten zu 8- bis 12prozentigen Zinsen und vergrößert so die Schuldenberge.

30 und 50 Prozent der versprochenen Summen dienen der Währungsstabilisierung und der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit des Landes. Demgegenüber beträgt Finanzierung der Modernisierung einzelner Sektoren in Industrie, Landwirtschaft und Infrastruktur oder Unterstützung von privaten Investoren nur einen Bruchteil. Überdies muß sich bei Finanzspritzen in Form bilateraler Abkommen zwischen Geber- und Empfängerland der Empfänger zumeist verpflichten, für einen Teil der Kredite Waren und Dienstleistungen aus dem Geberland zu kaufen. Für Polen machten solche bilateralen Verträge mehr als 50 Prozent der bis Juni 1992 zugesagten Gelder aus. Selbst bei wirklichen Spenden fließt der Löwenanteil häufig ins Geberland zurück: in Form astronomischer Honorare für westliche Experten und Berater.

Und schließlich ist fraglich, ob die versprochenen Papiermilliarden sich überhaupt jemals in echte verwandeln. Denn zunächst geraten Hilfsprojekte in die Mühlen der westlichen Bürokratie in Brüssel, Washington, Tokio und anderswo. Der Anteil der tatsächlich ausgezahlten Gelder an allen bislang versprochenen Finanzspritzen liegt nach optimistischen Schätzungen zur Zeit bei 20 Prozent. Keno Verseck